Heinersdorf-Von außen betrachtet wirkt das Herrenhaus in Heinersdorf (Oder-Spree) ziemlich heruntergekommen. Der wahre Schatz des Denkmals aus dem 17. Jahrhundert offenbart sich im Inneren: Wertvolle mittelalterliche Stuckdecken schmücken Räume, die zu Zeiten, als noch der Adel hier lebte, als „Roter Salon“ oder „Kaminzimmer“ bezeichnet wurden. Einige Stuckdecken sind eingerüstet, werden mit Balken und Platten gestützt, damit sie nicht herunterfallen.
„Es ist höchste Zeit, sie zu retten, stammen einige davon doch aus der Entstehungszeit des Hauses“, sagt die Heinersdorferin Annegret Huth. Insgesamt 260.000 Euro aus einem Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes stünden für Sicherungsarbeiten zur Verfügung. „Diese spätbarocken Stuckdecken – Vorlagen dafür finden sich in Italien – sind tatsächlich der große Schatz in Heinersdorf. Und die gilt es zu sichern, damit sie nicht verloren gehen“, bestätigt Haiko Türk vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege. Nur durch das Engagement der Heinersdorfer könne dafür gesorgt werden, dass der Verfall nicht weiter fortschreite.
Mitte der 1990er-Jahre hatte die Gemeinde das Herrenhaus von der Treuhand übergeben bekommen. Eine Kita und eine Arztpraxis zogen als Letzte aus den maroden Räumen aus, neue Nutzer fanden sich nicht. Mehr als 20 Jahre steht das Gebäude schon leer. „Uns war klar, dass das Haus eine neue Nutzung braucht, um nicht zu verfallen“, erinnert sich Steffen Adam, damals ehrenamtlicher Bürgermeister in dem 1100-Einwohner-Ort. Für das Dorf sei die Rettung des Denkmals allerdings eine Nummer zu groß, deutet er an. Immerhin 7,5 Millionen Euro Sanierungskosten wurden in ersten Schätzungen beziffert.
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Zwischenzeitlich versuchte die Gemeinde Steinhöfel, zu der Heinersdorf seit 2003 gehört, vergeblich, die Immobilie zu verkaufen. Laut Ortsvorsteherin Jane Gersdorf sah die Gemeinde das Herrenhaus als „Fass ohne Boden“ an. Der 25 Mitglieder zählende Denk-mal-Kultur-Verein um Huth und Adam gab hingegen nicht auf. Fast 800.000 Euro aus unterschiedlichen Fördertöpfen flossen in den vergangenen Jahren in den Erhalt: Das Dach wurde saniert und neu eingedeckt, die mächtigen Balken vom Schwamm befreit. Der Verein veranstaltete Ausstellungen und Konzerte.
Über die Jahre wurden unterschiedliche Nutzungskonzepte entwickelt, „alles ehrenamtlich“, wie Huth beschreibt. „Während wir hier immer wieder Politiker durchführten, die Potenziale erläuterten, uns mit dem Minister- und auch mit dem Bundespräsidenten trafen, verlor das Haus immer mehr Zeit“, sagt die Heinersdorferin. Zu mehr als einem Schulterklopfen oder vollmundigen Versprechen habe es nie gereicht. Aufgeben sei für sie und ihre Mitstreiter keine Option gewesen. „Um eine breite Akzeptanz und einen Mehrwert für die Region über unseren Ort hinaus zu finden, haben wir jetzt das Konzept für eine Akademie für selbstbestimmtes Altwerden auf dem Land entwickelt.“
Acht Hochschulen und Universitäten sind laut Huth an einer Kooperation interessiert. So soll an der Medizinischen Hochschule Brandenburg ein Masterstudiengang Versorgungsforschung eingerichtet werden, um die Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Regionen bedarfsgerechter zu steuern. Studenten sollen dazu ein Praxismodul absolvieren, um Rahmenbedingungen und Bevölkerungsperspektiven kennenzulernen, heißt es in einem Schreiben von Hochschulpräsident Edmund Neugebauer an den Denk-mal-Kultur-Verein als potenziellen Praxispartner. Im Heinersdorfer Herrenhaus könnte eine Forschungsstelle eingerichtet werden. „Studenten und Wissenschaftler kommen für einige Zeit hierher und untersuchen mit den Menschen vor Ort Themen rund um das Altwerden auf dem Land“, erläutert Huth.
Insgesamt 3000 Quadratmeter Nutzfläche könnten laut dem Konzept mit Leben erfüllt werden: Neben der Arztpraxis könnte im Erdgeschoss das Dorfgemeinschaftshaus entstehen. Der Verein Akademie 2. Lebenshälfte sei an einer Kooperation interessiert, um Bildungs- und Beratungsangebote für Senioren anzubieten. Die beiden Seitenflügel wären für altersgerechtes Wohnen geeignet, sagt Huth. „Wir haben im Ort keine freien Wohnungen oder Baugrundstücke mehr“, macht sie deutlich. Und viele ältere Heinersdorfer wollten ihre Heimat nicht verlassen, wenn sie nicht mehr allein leben könnten.
Eine Machbarkeitsstudie inklusive Potenzialanalyse liege vor, die Baugenehmigung sei von der Gemeinde erteilt, sagt Ortsvorsteherin Gersdorf. Die Gemeinde Steinhöfel habe die Verpflichtung, das Denkmal zu erhalten, sei finanziell allerdings überfordert.
„Wir als Denkmalschutzbehörde können nur sichern und haben nur begrenzte Mittel“, sagt Türk. Vor allem in der Prignitz und der Uckermark gebe es etliche Gutshäuser, die in ihrem Bestand gefährdet sind. Das neu entwickelte Konzept, sind sich die engagierten Heinersdorfer bewusst, passe nie in nur einen Fördertopf. „Wir brauchen politische Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene, aber die, die das Ganze passend machen könnten, denken nicht mit“, bringt Adam das Dilemma auf den Punkt.