Einfach mal ausprobieren: Kommentar zur neuen Verkehrskampagne

Berlin - Sie wirkt sofort, kostet keinen Cent und macht gute Laune. Rücksicht im Straßenverkehr – einfach mal ausprobieren. Jetzt auch in Berlin! Kurz, knapp, knallig: Das sind die neuen Slogans, die nun auf die Menschen in Berlin niedergehen werden. Es gibt mal wieder eine Kampagne für ein besseres Klima auf den Straßen. Diesmal geht es vor allem um den Radverkehr. Am Montag gaben Stadtentwicklungssenator Michael Müller und Jan Mücke, Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium, den Startschuss. Kosten: 750.000 Euro. Der Bund gibt 350.000 Euro, die Versicherungswirtschaft 120.000 Euro, der Senat eine fünfstellige Summe.

Noch eine Sicherheitskampagne also. Diese hier ist sogar ziemlich pfiffig, auf erhobene Zeigefinger und Strafdrohungen wird verzichtet. Dennoch kommt die Frage auf: Ob’s hilft? Wird die Kampagne wirklich die Prenzlauer-Berg-Eltern erreichen, die Gehwege auf ganzer Breite mit ihren Kindern radelnd okkupieren? Wird sie die Friedrichshainer Kampfradfahrer mäßigen, die von Kopfhörermusik angefeuert plötzlich ohne Licht auftauchen? Wird sie die Paketlieferer ausbremsen, die von einem enormen Arbeitsdruck angetrieben aufs Gaspedal treten? Wird sie Autofahrer dazu bringen, vor dem Türenöffnen nach hinten zu sehen – um Radlern Sturz und Schädelbruch zu ersparen?

Die Antwort lautet: Nein, im großen Stil wird das wohl nicht gelingen. Nicht, so lange Auto- und Radfahrer in Berlin weiterhin den berechtigten Eindruck haben, dass Regelverstöße von der Polizei nur sehr selten geahndet werden. Nicht, solange Arbeitsstress zum Rasen antreibt. Nicht, so lange Fußgänger und Radfahrer an den Rand gedrängt werden. Verbesserungen für die Nichtmotorisierten kommen nur langsam voran, weil es nicht genug Personal in den Behörden gibt.

Trotzdem: Selbst die sichersten Straßen bringen nichts, wenn deren Nutzer dort egoistisch die Sau herauslassen. Wenn auch nur ein paar Tausend Auto- und Radfahrer kurz darüber nachdenken, ob sie sich gerade richtig verhalten, wenn auch nur einige Hundert anderen ihre Fehler verzeihen und bei Streit zurückstecken, dann hat sich die Klima-Kampagne gelohnt. Mehr kann man von ihr nicht verlangen.