Einmischung zu später Stunde
Breites Votum für
die Umplanung des Schlosses
Berlin: „Am liebsten ohne Ostfassade“ (19. November) sowie „Genial oder Kulissenschieberei?“ (20. November), beide Berichte über das Leserforum zum Wiederaufbau des Schlosses schrieb Ulrich Paul:
Während des Leserforums deutete der Vorstandschef der Stiftung Berliner Schloss − Humboldtforum, Manfred Rettig, an, dass Braunfels am Nichteinhalten der Vorgaben für den Wiederaufbau des Schlosses gescheitert sei. Aber welchen realen Wert hatten eigentlich diese „Vorgaben“ in Anbetracht der jetzt öffentlichen Missbilligung der darin enthaltenen Ostfassade? Am Ende war die Jury wohl unzureichend informiert und der Bundestag wurde in die Irre geführt. So ein Ergebnis darf man nicht einfach (à la Rettig) „umsetzen“. Das breite Votum für ein offenes Schloss fordert zur Umplanung heraus.
John Manning, Berlin
Lieber jetzt Mehrkosten
als 100 Jahre Kopfschütteln
Hiermit auch mein Applaus für Stephan Braunfels und seinen Entwurf für ein offenes Schloss! Wenn schon ein Neubau sein muss, dann sollte man doch den schönen Blick in den Hof nicht mit einem Allerweltsgebäude verriegeln. Lieber jetzt Mehrkosten und auch verlängerte Bauzeit als hundert Jahre Kopfschütteln.
Hannelore Göring, Neuenhagen
Ein klägliches Zeugnis
für die Architektenschaft
Erstaunlich, dass sich zum Thema Schlossbau in Berlin prominente Kollegen zu so später Stunde noch in das Baustellengetümmel innovativ einmischen wollen. Nach den kläglichen Architektendebatten der 90er Jahre zu dem Thema, musste das Parlament die Richtung imperativ festlegen, ein klägliches Zeugnis für die hiesige Architektenschaft. Dabei haben die Politiker die Fassade zur Wasserseite hin der Neuinterpretation preisgegeben, ein Fehlentschluss?
Dieser Bautrakt war der älteste Teil des Schlosses, eine über Jahrhunderte unregelmäßig zusammengefügte romantische Architektur, in einfacher Massivbauweise. Es war der einzig gemütlich bewohnbare Teil des Schlosses und wurde deshalb von den Frauen bevorzugt genutzt. Er wäre am billigsten wieder herstellbar gewesen und hätte dem Ensemble sein, zwar falsches, aber homogenes Bild beschert.
Neu-falsch sind die drei anderen Fassaden sowieso. Die Bauhütten an den Kathedralen ersetzen über die Jahrhunderte so gut wie alle Sandsteindetails dieser Preziosen und keiner nimmt Anstoß. Auch zeitgenössische Bauten wechseln permanent ihre empfindliche Außenhaut.
Was mich an dieser späten und lächerlichen Debatte so empört, ist die verletzende und berufsunethische Haltung von Kollegen untereinander. Sie entbehrt jeder akademischen Moral.
Rob Krier, Architekt, Berlin
Braunfels bietet Chance
zur Versöhnung
Herzlichen Dank für die Veranstaltung, sehr geehrter Herr Jähner, sehr geehrter Herr Bernau. Sie war sehr informativ, sachlich und dennoch engagiert − und nebenbei bestens besucht.
Ich gehöre eigentlich zu den Gegnern des Schlosses, war bis zur parlamentarischen Entscheidung (Primat der Politik gilt) dafür, den geräumten Platz eine Generation lang unbebaut zu lassen, sehe jetzt aber, dass der Braunfels-Entwurf die Chance eröffnet, die Gegner des Schlosses durch die vorgeschlagene Öffnung mit dem Vorhaben zu versöhnen − ein wichtiger Aspekt für das Zusammenwachsen von Ost und West in unserer Stadt.
Bleiben Sie bitte am Ball!
Jörg Rommerskirchen, Berliner Wirtschafts-Staatssekretär a.D.
Richtung Fernsehturm
nur Investorenmüll geplant
So sympathisch ich den Verzicht auf den Stella-Riegel durch Öffnung des Schlosses in Richtung Alexanderplatz empfinde, so sehr schockt mich, was ich nach dem simulierten Willen von Herrn Braunfels dann als Ausblick Richtung Fernsehturm zu sehen bekommen soll: architektonischen Investorenmüll. Vor dieser Verschandelung der Berliner Mitte durch einen 08/15-Städtebau bewahre uns Gott, da auf den Senat wenig Verlass ist.
Detlev Biedermann, Berlin
Leider war keiner
von der Jury dabei
Leider war auf dem Podium kein Mitglied des Preisgerichts zum Schlosswettbewerb vertreten. So musste Herr Rettig diese Rolle übernehmen und hat das auch, so weit es ihm möglich war, souverän gemacht. Herrn Braunfels’ Schlussstatement, Herr Chipperfield hätte ihm auf die Frage, warum ausgerechnet dieser Entwurf von Stella gewonnen hat, geantwortet: weil es keinen besseren gab! Das schließt offensichtlich auch den Entwurf von Herrn Braunfels ein. Ein Mitglied der Jury hätte es am besten erklären können, warum Braunfels’ Entwurf nach langer Diskussion mit großer Mehrheit abgelehnt wurde.
Die Rolle der Architektenkammer (AK) in dieser Diskussion wäre es gewesen, zum Ablauf des Planungsprozesses Stellung zu nehmen und zu beurteilen, ob er den Forderungen der AK entsprochen hat: transparentes Verfahren und demokratische Entscheidungsprozesse. Herr Rettig hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in der letzten öffentlichen Forumssitzung vor der endgültigen Entscheidung keine Einwände mehr gemacht wurden. Erst danach wurde das Projekt dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt und parteiübergreifend mit Mehrheit angenommen. Das Argument der Architektenkammer-Vertreterin, an der Abstimmung seien nur Laien beteiligt gewesen, ist grob missverständlich, denn es verschweigt, dass die Entscheidung über das richtige Projekt von einer internationalen Jury getroffen und von Fachleuten in Diskussion mit der Öffentlichkeit weiterentwickelt wurde. In der parlamentarischen Demokratie werden sich Abgeordnete bei komplexen Sachfragen immer auf die Hilfe von Fachleuten verlassen müssen.
Prof. Dieter Frowein, Architekt, Berlin
Hässlicher Abschluss
zur Spree hin
Wenn Berlin nun ein neues Schloss bekommen soll, so sollte es nicht aussehen wie ein Bürogebäude. Diese Mauer zur Spree nimmt dem Bauwerk die Leichtigkeit. Auf mich wirkt es wie eine Primaballerina, die bei ihrem Auftritt zum Tutu eine Jeans trägt. Es wäre schön, wenn man diesen unästhetischen Stilbruch unterbinden und auf den hässlichen Abschluss zur Spree verzichten würde.
Margot Schebsdat, per E-Mail
Stella erweckt
die Hohenzollernwelt neu
Das Humboldtforum ist für den Abschluss des historischen Komplexes Unter den Linden notwendig. Die geschlossene Form des Stella-Baukörpers erzeugt in der „Bürgerstadt“ aber wieder eine Nachhohenzollernwelt für sich. Die nach Osten offene Form des Braunfels-Entwurfs bietet dagegen für die Gestaltung des Stadtraums zum Alex hin neue Möglichkeiten. Also Baustopp, mindestens für den Ostflügel, und bürgernahe Neuplanung des Raumes bis zum Fernsehturm.
Klaus Krökel, Panketal
Brache Alex ergänzt um
Brache Ehrenhof
Ich bitte Sie, die Bewohner der Stadt nicht in Geiselhaft für Ihre Kampagne zu nehmen. Es ist ein ödes Projekt, dieses Schloss, aber es wird keinen Deut besser, wenn daran herumgedoktert wird. Die Ödnis des Platzes bei Braunfels, den Sie, Herr Jähner, als „Ehrenhof“ feiern, springt doch ins Auge. Unter anderen Vorzeichen wurden solche Leer-Flächen schon mal als Aufmarschplätze von Diktaturen entlarvt. Wer möchte denn die Brache Alex mit einer Brache Ehrenhof komplettieren? Das Ding („Schloss“) ist gelaufen, und − ehrlich gesagt − lieber wie geplant als in der populistischen Lieblingsvariante der Berliner Zeitung.
Jan Raue, Berlin