Einsturzgefahr am Hauptstadtflughafen in Berlin: Der BER ist überlastet
Eigentlich sollte die Zukunft des BER im Mittelpunkt der Aufsichtsratssitzung am Freitag stehen. Mit der Zeit nach der für 2017 geplanten Eröffnung wollen sich die Kontrolleure beschäftigen, mit dem wohl rasch nötigen Ausbau. Doch einmal mehr muss die Tagesordnung ergänzt werden. Und wieder einmal steht infrage, ob die Eröffnung in absehbarer Zukunft stattfinden kann. Am Montag jedenfalls verhängte die zuständige Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Dahme-Spreewald einen vorläufigen Baustopp für die Haupthalle des Terminals. Grund ist mehrere Jahre alter Pfusch. Gutachter hatten festgestellt, dass mehrere Ventilatoren der Entrauchungsanlage, die im Dachgeschoss untergebracht sind, deutlich schwerer sind, als es die bisherigen Planungen vorsehen und die Statik womöglich gefährdet ist
Zwei Tonnen Überlast
Bereits am Freitag hatte die Flughafengesellschaft FBB darum den sogenannten Marktplatz, den Shopping-Bereich des neuen Terminals, für Arbeiter gesperrt. Am Montagvormittag hatte FBB-Technikchef Jörg Marks vorgesehen einen ohnehin geplanten Termin beim Bauamt des Landkreises Dahme-Spreewald. „Herr Marks hat uns mitgeteilt, dass es ein Problem mit Deckenventilatoren gibt, die im Jahr 2012 installiert worden sind. Wir haben uns dann sehr schnell mit ihm geeinigt, den Baustopp zu verhängen“, sagte Landrat Stephan Loge (SPD) der Berliner Zeitung.
Die Gutachter hatten auf drei der zwanzig sogenannten Deckenfelder des Terminals – das sind die Bereiche zwischen den tragenden Elementen – eine Überlast festgestellt. In einem Fall beträgt die Last vier statt der vorgesehenen zwei Tonnen, in den anderen Fällen sind die Werte niedriger.
Welche Auswirkungen der nun entdeckte Pfusch hat, hängt davon ab, wie schnell die FBB die erforderlichen Statik-Nachweise erbringt. So lange kann jedoch in anderen Gebäudeteilen weiter gearbeitet werden. In dem gesperrten Bereich seien derzeit nur wenige Arbeiter tätig, hieß es aus der Flughafengesellschaft. Der größte Teil der Arbeiten finde im nördlichen und im südlichen Teil des Hauptgebäudes statt sowie im Südpier, die weiter zugänglich sind. Die Überlast war eher zufällig entdeckt worden. Das Statikgutachten war Teil der Genehmigungsunterlagen für den Umbau der Entrauchungsanlage. Ihre funktionalen Defizite hatten die 2012 geplante Eröffnung verhindert.
In den nächsten Wochen wird nun ein weiterer Gutachter einen sogenannten Standsicherheitsnachweis erbringen. Darin wird festgestellt, ob das Gebäude die zusätzliche Last tragen kann, oder ob Maßnahmen zur Sicherung nötig sind. Denkbar ist, dass die Decke verstärkt wird – oder dass die Ventilatoren ersetzt werden. Experten halten weniger ihr schieres Gewicht für problematisch, als die Schwingungen im Betrieb, die stärker sind als berechnet.
Auch wenn sich das Problem einfach lösen lassen sollte, könnte die Terminplanung ins Wanken geraten. Entscheidend sei, ob zusätzliche Arbeiten weitere Verspätungen auslösen, hieß es. Derzeit geht man davon aus, dass die Baustelle nach der Insolvenz des Gebäudetechnik-Ausrüsters Imtech drei Monate verspätet ist.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat den vorläufigen Baustopp auf dem neuen Hauptstadtflughafen als Rückschlag gewertet. „Wir erwarten, dass die Geschäftsführung den Aufsichtsrat und auch die Öffentlichkeit jetzt sehr schnell und vollumfänglich informiert“, erklärte Müller. Der 50-Jährige ist auch Chef des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft. Erst nach einem umfassenden Bericht könnten die Konsequenzen abgeschätzt werden, so Müller. Zu einer möglichen erneuten Verschiebung des Eröffnungstermins im Herbst 2017 äußerte er sich nicht.
Es gab Whistleblower
Den Vorsitzenden des BER-Untersuchungsausschusses, Martin Delius (Piraten), überraschte es am Montag nicht, dass ein neuer schwerer Mangel am Terminal festgestellt wurde. In den Jahren vor der geplatzten Eröffnung habe Chaos an der BER-Baustelle geherrscht. „Es gab keine klaren Leistungsbilder für die Baufirmen, darum konnte die Objektüberwachung auch nicht prüfen, ob sie ihre Aufträge korrekt abwickelten“, sagte er der Berliner Zeitung.
Delius war den Statikproblemen schon einmal auf der Spur. Im Dezember 2014 stellte er eine Anfrage an Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD). Delius hatte einen Hinweis bekommen. Es gab also offenbar Fachleute, die von der schweren Last auf dem BER-Dach wussten – und in der FBB kein Gehör fanden.
Müllers Antwort auf Delius’ Frage war knapp: „Nach Angaben der FBB wurden in keinem Bereich des Terminals zu hohe Deckenlasten festgestellt“, schrieb Müller. Welch ein Irrtum.