Eisenbahn-Drama in mehreren Akten: Fällt der Direktzug Berlin–Sylt wirklich weg?

Im neuen Fahrplan ist die Verbindung nach Westerland nicht mehr enthalten. Flixtrain soll den Zeit-Slot bekommen haben. Doch die DB sieht noch Chancen.

Schleswig-Holstein, Sylt: Ein Zug der Deutschen Bahn (DB) fährt über den Hindenburgdamm zwischen Sylt und Niebüll.
Schleswig-Holstein, Sylt: Ein Zug der Deutschen Bahn (DB) fährt über den Hindenburgdamm zwischen Sylt und Niebüll.dpa

Berlin-Berlin und Sylt, das ist eine besondere Beziehung. Kein Wunder, dass die Ärzte dem Hauptort der Nordseeinsel ein Musikstück gewidmet haben: „Oh, ich hab’ solche Sehnsucht, ich verliere den Verstand. Ich will wieder an die Nordsee, ich will zurück nach Westerland.“ Schon 1988, als der Hit erschien, gab es eine direkte Zugverbindung zwischen Berlin und Sylt, deren Kundschaft sich aus bekannten Gründen auf den Westen der Stadt konzentrierte. Doch im neuen Fahrplan der Deutschen Bahn (DB), der von Mitte Dezember an gilt, ist der traditionsreiche Direktzug nach Westerland bislang nicht enthalten. Bleibt es dabei, fiele eine bisher gut genutzte Alternative zum Auto weg und Berliner Fahrgäste müssten in jedem Fall umsteigen. Allerdings hoffen Planer bei der Bahn, dass sie sich diese Peinlichkeit noch ersparen können.

Kurz nach 9 Uhr in fünfeinhalb Stunden hin, gegen 15.30 Uhr zurück: Das war die Formel für den Intercity, der zuletzt Berlin täglich mit Westerland verband. Start- und Endpunkt war Dresden. Im September wurde das Zugpaar eingestellt, weil auf der Hamburger Bahn Baustellen eingerichtet wurden. Jetzt wird gefragt: Kommt der Sylt-Zug nach dem Ende der Bauarbeiten am 12. Dezember zurück? Die Antwort fällt unerfreulich aus. 

„Der Wunschzettel an den Weihnachtsmann“

„Wir wollten das Zugpaar Berlin–Westerland auch im neuen Fahrplan anbieten, haben jedoch für die Fahrt von Berlin nach Westerland keine Trasse erhalten“, sagte ein Bahnsprecher der Berliner Zeitung. Nur in der Gegenrichtung werde es künftig wieder eine direkte Verbindung geben – eine Stunde früher als bisher.

„Jeweils im Frühjahr geben mehr als 400 Bahnunternehmen ihren geplanten neuen Fahrplan zur Koordinierung an DB Netz. Das ist sozusagen der Wunschzettel an den Weihnachtsmann“, erklärte Marcus Grahnert, der sich seit vielen Jahren mit dem Fernverkehr der Bahn befasst. „Bei DB Netz sitzt dann ein armer Mensch, der die vielen Wünsche konfliktfrei zusammenfügen muss. Funktioniert das auch nach gesonderter Vermittlung nicht, erhält ein Unternehmen im letzten Schritt eine Ablehnung.“

Auch Amrum (hier Strandkörbe in Norddorf) war mit dem Intercity Berlin–Sylt gut erreichbar. Während der Saison führte der Zug durchlaufende Wagen nach Dagebüll, wo die Fährschiffe zu der Nordseeinsel ablegen. 
Auch Amrum (hier Strandkörbe in Norddorf) war mit dem Intercity Berlin–Sylt gut erreichbar. Während der Saison führte der Zug durchlaufende Wagen nach Dagebüll, wo die Fährschiffe zu der Nordseeinsel ablegen. imago/Jochen Eckel

So war es auch im Fall des geplanten Intercity-Zuges von Berlin nach Sylt, der den Arbeitstitel IC 2074 trägt. Warum DB Fernverkehr einen Korb bekam, darüber schweigt man sich aus. Inoffiziell war aber zu erfahren, dass die Trasse nach Hamburg einem DB-Konkurrenten zugeteilt wurde. „Der Mitbewerber Flixtrain hat sie erhalten“, hieß es. Aus anderen Quellen hört man, dass es nördlich von Hamburg ebenfalls klemmte. Der Sylt-Shuttle, der DB-Autozug nach Westerland, habe sich als weiteres Hindernis erwiesen. 

Gute Verbindungen nach Büsum, St. Peter-Ording und Amrum

Allerdings könnte DB Fernverkehr nicht ganz unschuldig an dem Problem mit dem Zeit-Slot sein. Marcus Grahnert berichtete, dass das Unternehmen in diesem Frühjahr von sich aus entschieden habe, dass der Intercity nach Westerland im kommenden Fahrplanjahr um eine Stunde vorverlegt werden soll – mit einer neuen Abfahrt am Berliner Hauptbahnhof um 8.06 Uhr. In dieser Zeitlage war zuletzt der private Flixtrain gefahren. Zur einstigen Abfahrtszeit 9.06 Uhr wurde eine ICE-Fahrt geplant.

Beim Fahrgastverband Pro Bahn gingen bereits die ersten Beschwerden ein. Die bequeme umsteigefreie Verbindung nach Sylt, bei der man sich keine Sorgen um einen Anschluss machen musste, sei von vielen Touristen frequentiert worden, sagte der Vize-Bundesvorsitzende Lukas Iffländer. Er kenne eine Frau, die den Zug zwei- bis dreimal jährlich auf voller Länge nutzte und jetzt „not amused“ sei.

Start künftig am Bahnhof Berlin-Lichtenberg?

Mit dem Intercity „Uthlande“ konnte man übrigens auch nach Amrum bequem reisen. Während der Saison führte der Zug durchlaufende Wagen nach Dagebüll mit, wo die Schiffslinie zu dieser Insel beginnt. Sie galten als die letzten Kurswagen im Tagesverkehr der Bahn in Deutschland. Nicht zuletzt bot der Sylt-Zug gute Umsteigeverbindungen nach Büsum sowie St. Peter-Ording. Zum Stichwort Tradition lohnt ein Blick ins Kursbuch für den Sommer 1975. Dort stößt man auf den D 1332, der an manchen Tagen auch Autos beförderte: Abfahrt Berlin Friedrichstraße 9.27 Uhr, Ankunft Westerland 18.07 Uhr.

Lässt sich der Direktzug Berlin–Sylt noch retten? Bei der Bahn versucht man nun, die Wiedereinführung doch noch möglich zu machen – auch um Leerfahrten, die sich in sechs Monaten auf fast 80.000 Kilometer summieren würden, zu vermeiden. „Wir schaffen das. Daran gibt es keinen Zweifel“, sagte ein Eisenbahner der Berliner Zeitung. Von Gesprächen mit Flixtrain und anderen Beteiligten ist die Rede. Klar ist, dass der Intercity nicht mehr in Dresden beginnen wird. Ein Argument lautet, dass es in der sächsischen Stadt weniger Kapazitäten für die nächtliche Wagenreinigung gibt als in Berlin. Neuer Startpunkt soll der Berliner Bahnhof Lichtenberg werden, um 7.11 Uhr.

Wie singen die Ärzte? „Doch ich finde keine Ruh’, diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen.“