Enteignungsinitiative spricht von „Boykotthaltung“ des Stadtentwicklungssenators

Vor der ersten Arbeitssitzung der Expertenkommission, die über eine Vergesellschaftung von Wohnungen berät, werden Vorwürfe gegen die Landesregierung laut.

Setzen sich für die Vergesellschaftung von Wohnungen ein: Anhänger der Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen, hier bei einer Demo im Jahr 2021.
Setzen sich für die Vergesellschaftung von Wohnungen ein: Anhänger der Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen, hier bei einer Demo im Jahr 2021.Imago Images/Nicolaj Zownir

Die Expertenkommission, die sich mit Fragen einer möglichen Vergesellschaftung von Wohnungen großer Unternehmen in Berlin befasst, ist am Donnerstag zu ihrer ersten Arbeitssitzung zusammengekommen. „Wir haben große Erwartungen an die Kommission“, sagte Constanze Kehler, die Sprecherin der Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen. „Sie wird den Grundstein für die Vergesellschaftung legen, und heute geht es endlich los.“ Dies sei ein „historischer Moment, denn noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik wurden Unternehmen zum Wohle der Allgemeinheit enteignet“.

Ob es tatsächlich zu einer Vergesellschaftung von Wohnungen kommt, ist allerdings offen. Aufgabe der Expertenkommission ist es, zunächst die Verfassungskonformität einer Vergesellschaftung zu untersuchen. Anschließend sollen auch wohnungswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und finanzpolitische Aspekte berücksichtigt und entsprechende Empfehlungen erarbeitet werden.

Anlass für die Beratungen ist der Volksentscheid vom 26. September 2021. Dabei hatten sich 57,6 Prozent der Abstimmenden dafür ausgesprochen, die Bestände großer Immobilienunternehmen zu vergesellschaften. Der Volksentscheid war von der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen angestrengt worden. Der Senat wird im Beschlusstext des Volksentscheids „aufgefordert, alle Maßnahmen einzuleiten“, die zur Überführung von Immobilien sowie von Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes erforderlich sind.

Expertengremium hat ein Jahr Zeit für seine Beratungen

Der nun eingesetzten Expertenkommission gehören 13 Personen an. Den Vorsitz führt die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Für ihre Arbeit hat die Kommission ein Jahr Zeit. Auf Basis des Expertenvotums muss am Ende der Senat entscheiden, was passiert.

„Es geht im Kern darum, die Wohnraumversorgung dem Markt zu entziehen, um das Allgemeinwohl vor Profitinteressen zu stellen“, sagte Constanze Kehler. „Wir erwarten, dass der Senat die Arbeit der Enteignungskommission mit aller Kraft unterstützt und die vereinbarte Transparenz für die Berliner Stadtgesellschaft gewährleistet.“

Die Initiative übt Kritik an Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Die Informationspolitik zum Auftakt der Arbeit der Enteignungskommission veranschauliche „die Boykotthaltung Geisels“. Entgegen seiner Behauptung auf der Senatspressekonferenz am Dienstag seien Termine und Arbeitspläne der Kommission sowie die Geschäftsordnung nicht kommuniziert worden. Die Internetseite der Kommission sei nicht einmal online. Dabei sei eigens dafür eine Geschäftsstelle in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eingerichtet worden.

Sprecher des Senators weist die Vorwürfe zurück

Geisels Sprecher Martin Pallgen wies die Vorwürfe zurück. Die Initiative richte sich an „den Falschen“. Für die Organisation und Durchführung sei „allein die Geschäftsstelle der Kommission zuständig“. Diese unterstehe nicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Wir erteilen ihr auch keine Weisung“, so Pallgen. Die Kommission arbeite unabhängig.

Zur Äußerung des Senators auf der Pressekonferenz, bei der Geisel erklärte, die Daten der Sitzungen der Expertenkommission seien „bekannt und eigentlich im Internet veröffentlicht“, sagte Pallgen am Donnerstag: „Das war ein Missverständnis auf der PK.“ Die Geschäftsstelle der Expertenkommission schreibe, dass in der Sitzung der Kommission am Donnerstag deren Internetaufritt besprochen werde. Das Kollegium entscheide „auch, welche Informationen und Dokumente in welcher Form öffentlich gemacht werden sollen“. Die Freischaltung werde voraussichtlich nach der Kommissionssitzung vom 21./22. Juli erfolgen.