Entscheidung gefallen: Berlin und Brandenburg bekommen eine neue Bahnstrecke
Viele Jahre wurde debattiert, was aus der alten Stammbahn nach Potsdam wird. Nun steht es fest. Dafür wird ein anderes Projekt auf Eis gelegt.

Manche Dinge dauern eben etwas länger – zumal in Berlin und Brandenburg. Mehr als zwei Jahrzehnte lang wurde untersucht, geprüft und gestritten. Jetzt haben sich die Verantwortlichen in den Ländern zusammengerauft und eine Entscheidung getroffen.
Damit ist jetzt ist endlich klar, was mit der ältesten und seit mehr als 75 Jahren brachliegenden Bahnverbindung in der Region geschieht. Die Stammbahn, einst die erste Schienenroute zwischen Berlin und Potsdam, wird als Strecke für den Regionalverkehr wiederbelebt. Das gaben Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) und Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) am Montag bekannt. Doch bis die ersten Züge fahren, werden mehr als anderthalb Jahrzehnte vergehen. Beschlossen wurde auch, ein anderes Bahnprojekt in der Region abzusagen.
Die Beziehungen zwischen Bayern und Preußen waren in der Vergangenheit nicht immer gut. Nun stellt eine gebürtige Bayerin die Weichen dafür, dass die erste preußische Bahnstrecke als Regionalzugtrasse wiederbelebt wird. Das kam Mobilitätssenatorin Jarasch, die aus Augsburg stammt, auch etwas merkwürdig vor. Aber es ist so: Kurz nach ihrem Antritt vor fünf Monaten fuhr die Grünen-Politikerin zu ihrem Ressortkollegen Beermann nach Potsdam, um ein seit den 1990er-Jahren simmerndes Problemthema abzuräumen. Jetzt steht fest, in welcher Form die Stammbahn reaktiviert wird.
Zweigleisig über Steglitz und Zehlendorf nach Potsdam
Nachdem sich der Senat lange dafür eingesetzt hatte, sie als S-Bahn-Strecke wiederzubeleben, schwenkte er vor einigen Wochen auf die Linie der Brandenburger ein. „Geplant ist eine zweigleisige elektrifizierte Strecke“, sagte Thomas Dill vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB). Dort können außer Regionalzügen auch Fernzüge verkehren. Fünf Regionalbahnhöfe sollen gebaut werden. Davon entstehen drei auf Berliner Gebiet: Schöneberg, Rathaus Steglitz und Zehlendorf. Auf Brandenburger Territorium machen die Züge in Kleinmachnow und am Europarc Dreilinden Stopp.
„Vorgesehen sind vier Regionalverkehrszüge pro Stunde und Richtung“, so Dill. Zwei Züge pro Stunde verbinden Potsdam mit dem Bahnhof Potsdamer Platz und dem Hauptbahnhof. Zwei Züge pro Stunde steuern stattdessen über die Kurve Schöneberg und den Berliner Südring das Ostkreuz an, was die Verbindungen von Potsdam in den Osten der Hauptstadt beschleunigt. „Voraussetzung ist, dass der Südring bis Treptow elektrifiziert wird“, sagte der Planer. Halten sollen die Züge in diesem Bereich am Südkreuz sowie gegebenenfalls in Neukölln oder an der Hermannstraße. Für das gesamte Projekt werde ein „hoher dreistelliger Millionenbetrag“ veranschlagt, teilte Dill mit.
Sie war 1838 die erste Eisenbahn in Preußen – deshalb heißt sie Stammbahn. Vom damaligen Potsdamer Bahnhof, nicht weit vom Potsdamer Platz entfernt, führte das Gleis über Steglitz nach Potsdam. Schon bald stürmten am Wochenende Berliner Ausflügler die Züge ins Grüne, das war damals nicht anders als heute. Weil ihm das Treiben vor seinem Sommersitz, dem heutigen Wrangelschlösschen, zu viel wurde, versuchte der spätere Feldmarschall Friedrich von Wrangel eine Schließung des damaligen Steglitzer Haltepunkts durchzusetzen – ohne Erfolg.
S-Bahn - oder nicht?
1845 wurde die Trasse nach Magdeburg verlängert, bald kamen Fernzüge hinzu. Doch genau hundert Jahre später wurde die erste durchgehende Verbindung zwischen Berlin und Potsdam unterbrochen. Nach der Sprengung der Brücke über den Teltowkanal war sie nicht mehr nutzbar. Auf West-Berliner Seite fuhr bis 1980 die S-Bahn von Zehlendorf nach Düppel, dann eroberte sich Wald die Trasse. Bis 2018 wurde der Abschnitt zwischen Zehlendorf und Lichterfelde West von Güterzügen befahren, die über Wannsee kommend Autoteile von der Firma APCB an der Goerzallee zum Kölner Ford-Werk beförderten. Seitdem liegt das Gleis brach – von wenigen Sonderfahrten abgesehen.
Seit den 1990er-Jahren wurde untersucht, wie die Zukunft der Stammbahn aussehen könnte. Doch trotz diverser Untersuchungen konnten sich die Beteiligten nicht einigen. Im Land Berlin dominierten bis vor Kurzem die Fürsprecher einer S-Bahn, im Land Brandenburg bevorzugte man eine Regionalzugverbindung. „Irgendwann endet die Phase, in der man Untersuchungen und Vermerke schreibt. Irgendwann muss entschieden werden“, sagte Bettina Jarasch. „Das haben wir jetzt getan.“
„Zum einen schaffen wir eine zusätzliche Strecke zwischen Berlin und Potsdam“, erklärte Guido Beermann. Das sorge nicht nur für zusätzliche Kapazitäten in einer wachsenden Region, es entstünde auch eine Ausweichroute, wenn die andere (via Wannsee) unterbrochen ist. „Zum anderen wird die Stammbahn auch in den Deutschland-Takt eingebunden“ – der überregionale Verkehr profitiere ebenfalls.
Was werden die Anwohner sagen?
Allerdings müssen die Länder nun noch den Bund ins Boot holen. „Wir hoffen, dass er seiner Finanzierungsverantwortung gerecht wird“, sagte der Brandenburger Infrastrukturminister. Weil es sich um ein umfangreiches Projekt in einem dicht bebauten Gebiet handelt, werden auch die Anwohner an dem Projekt beteiligt. In Kleinmachnow regt sich seit Jahren bereits Widerstand. Alles in Allem werde es noch eine Zeitlang dauert, bis die ersten Züge fahren, hieß es. Beermann sprach am Montag davon, dass das Vorhaben während der zweiten Hälfte der 2030er-Jahre umgesetzt werden soll. Im Januar war davon die Rede, dass eine Regionalbahnstrecke ab 2032 in Angriff genommen werden und Ende des nächsten Jahrzehnts in Betrieb gehen könnte.
Beim Bahngipfel mit dem Bund, zu dem Berlin und Brandenburg für den 3. Juni eingeladen haben, geht es um ein weiteres Schienenprojekt, das zum Vorhabenpaket i2030 gehört. Auch hier haben die beiden Länder nach jahrzehntelangem Hin und Her eine Entscheidung getroffen. Es geht um die Strecke, die aus Wittenberge über Pritzwalk, Neuruppin, Velten und Hennigsdorf nach Berlin führt. Lange Zeit wurde diskutiert, ob der Prignitz-Express über Tegel zum Fernbahnhof Gesundbrunnen fahren können – auf einer zweigleisigen Trasse, die sie sich mit den S-Bahnen der Linie S25 teilen.
Kosten drohten auf mehr als eine halbe Milliarde Euro zu steigen
Doch ein solcher Mischbetrieb würde nicht nur die Kapazität beschränken. „Es wäre auch erforderlich geworden, den Bahnübergang Gorkistraße in Tegel aufzuheben“, sagte Senatorin Jarasch. Die Schranken wären sonst fast durchgehend geschlossen. In dem dicht bebauten Tegeler Zentrum eine Straßenunterführung mit Rampen unterzubringen, wäre schwierig bis unmöglich, hieß es. Allein dieses Teilprojekt würde mit 150 Millionen Euro zu Buche schlagen. Zusammen mit anderen Baumaßnahmen wären die Kosten auf insgesamt mehr als eine Milliarde Euro gestiegen. So bestand die Gefahr, dass das Vorhaben als unwirtschaftlich eingestuft wird – dann würde der Bund nichts zahlen.
So gaben Beermann und Jarasch am Montag ein anderes Konzept bekannt. Der Prignitz-Express, bekannt auch als Regionalexpress RE6, fährt auch künftig wie bisher von Hennigsdorf einen Umweg über den westlichen Außenring und Falkensee nach Spandau und Gesundbrunnen – nur nicht mehr einmal, sondern zweimal pro Stunde und Richtung, so die beiden Politiker. Ein Datum wurde nicht genannt. Bereits 2026 soll der Verkehr auf dem Abschnitt zwischen Neuruppin und Velten verdichtet werden. Der RE6 und die Regionalbahn RB55 sollen dann zweimal stündlich pro Richtung verkehren.
„Zwischen Velten und Hennigsdorf wird es künftig fünf Verbindungen pro Stunde und Richtung geben“, sagte Minister Beermann. Auf diesem Abschnitt werde auch die S-Bahn fahren. Allerdings wurde am Montag für die Verlängerung der S25 ebenfalls kein Zeitpunkt mehr genannt. Im Januar hieß es, dass „Mitte der 2030er-Jahre“ der Betrieb beginnen soll. Dann soll die S-Bahn zwischen Berlin-Schönholz und Hennigsdorf im Zehn-Minuten-Takt verkehren, so der Landespolitiker. In Borsigwalde und Hennigsdorf Nord sind neue Verkehrsstationen geplant.