Wahlkreis um die Friedrichstraße: Warum auch hier die CDU abräumte
Im Stadtzentrum ging nur ein Wahlkreis an die CDU: Mitte 2. Wie wurde er zur schwarzen Insel in der grünen Innenstadt? Das sagen Bürger.

An jedem Laternenpfahl in der Friedrichstraße sind sie zu sehen: Die blauen Wahlplakate der CDU. Von manchen blickt Kai Wegner lächelnd herab, auf anderen ist das Versprechen für den Erhalt von Parkplätzen zu lesen oder der Aufruf an die Wähler: „Chaos abwählen“. Gerade an diesem Ort, der in den letzten Wochen in vielen Debatten zum Symbol für das Chaos in Berlin geworden ist. Autos durften lange nicht mehr über die ganze Friedrichstraße fahren, dann doch wieder, dann wieder nicht.
Die Konkurrenz von Grünen und SPD, verantwortlich für das Hin und Her der Sperrungen, hat hier auf Wahlplakate offenbar verzichtet. Am Montag ist auf der Friedrichstraße kein einziges mehr zu sehen.
Die Wähler sind den Plakaten der CDU gefolgt. Der Wahlkreis Mitte 2 ging an die CDU, als einziger in der Innenstadt. Und wurde Teil der Erfolgswelle der Union. Viele Jahre war der Wahlkreis eine Hochburg der Linken, im Jahr 2021 holte Max Landero von der SPD das Direktmandat. Nun hat es Lucas Schaal von der CDU bekommen, mit 24,9 Prozent der Erststimmen.
Wie kam es dazu?
Seit einigen Wochen ist die Friedrichstraße wieder eine Fußgängerzone. Mittags trifft man hier Leute beim Einkaufen, Touristen und Büroarbeiter in der Mittagspause. Aber man kann hier auch noch Berlinerinnen und Berliner finden, die im Stadtzentrum wohnen und wählen.
Menschen wie Sylvia und Werner Lensinger. Am frühen Montagnachmittag waren sie gerade in den Galeries Lafayette einkaufen. Mit dabei war Horst, ihr Dackel. Wen sie am Sonntag gewählt haben, wollen die beiden nicht verraten. Es gibt aber ihrer Meinung nach viel Änderungsbedarf in Berlin, nicht zuletzt in der Friedrichstraße. „Es ist zum Kotzen“, sagt Sylvia Lensinger über die aktuelle Sperrung. „Die Klimapolitik ist ja wichtig“, fügt sie an. Aber das Thema werde zu sehr in den Vordergrund gerückt, die Belastung für die normalen Bürger sei zu hoch. Die Grünen hätten mit ihrer Politik hier die Autofahrer „drangsaliert“, ohne richtige Alternativen anzubieten, meint Sylvia Lensinger. Werner Lensinger gibt der Verkehrssenatorin und Spitzenkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch, den Spitznamen „Katharina die Große“.
„Man wird nie alle Leute zufriedenstellen können“
Beim zweiten großen Streitthema der letzten Wochen in Berlin – dem Umgang mit den Randalen der Silvesternacht – ist das Ehepaar geteilter Meinung. Für Silvia Lensinger habe die Berliner CDU mit dem Antrag auf Preisgabe der Vornamen der mutmaßlichen Täter eine richtige Problematik angesprochen, und zwar eine, die sie „maßlos geärgert“ habe, sagt sie. Werner Lensinger sieht das anders: „Ich erwarte von der Politik, dass man den Kopf einschaltet, bevor man redet.“

Erst um die Ecke, in der Mohrenstraße, ist ein Plakat der SPD zu finden. Es zeigt Max Landero, seit 2021 Abgeordneter für diesen Wahlkreis. Sein Direktmandat hat er verloren, mit einem Anteil der SPD von 16,6 Prozent bei den Zweitstimmen im Bezirk Mitte kommt er auch über die Parteiliste nicht ins Abgeordnetenhaus.
Aus der Mohrenstraße hat Angela Ritter den Streit um die Friedrichstraße beobachtet. Sie ist 56 Jahre alt und wohnt in Reinickendorf, arbeitet aber gleich um die Ecke als Erzieherin an der Grundschule am Brandenburger Tor. „Meinerseits kann das gerne eine Fußgängerzone bleiben“, so Ritter. „Was da morgens an Verkehr durchgeht, ist wirklich nicht schön.“ Dabei denkt sie an den Lärm, die Luftverschmutzung und die Sicherheit ihrer Grundschulkinder. Aber für die Läden rund um die Friedrichstraße sei der entsprechende Geschäftsausfall auch „nicht schön“.
Ritter glaubt, dass es der Politik nur schwer gelingen wird, die Debatte zu beenden. „Man wird nie alle Leute zufriedenstellen können“, meint sie. Auch Werner Lensinger ist nicht überzeugt, dass der große Wahlsieg der CDU in Mitte 2 wirklich etwas ändern wird – trotz der Versprechen auf den Wahlplakaten. Bei der Bezirkswahl lagen in ganz Mitte schließlich die Grünen weiter vorn, sie werden mitbestimmen, was im Bezirk geschieht. „Es wird alles beim Alten bleiben“, sagt Lensinger. „Wir werden diese Pattsituation nicht los.“ Zu seinen Füßen winselt Horst, der Dackel.