Fahrrad-Polizei: Dienst im Sattel
Auf die schusssichere Weste verzichtet Sven Rambow auch bei schönstem Sommerwetter nicht. „Erstochen ist man schnell, erstunken ist noch keiner“, sagt der junge Polizist und blinzelt in die Sonne. Ob es eine schweißtreibende Schicht wird oder eine ruhige, kann er nicht vorhersagen. Sein Dienst hat an diesem Samstagvormittag gerade begonnen, gemeinsam mit seinem Kollegen Manuel Lanzky steht Rambow am Hafen in Burg im Spreewald. Die beiden haben alles am Mann, was nach langläufiger Vorstellung zu einem Polizisten gehört: die Pistole seitlich, die Handschellen hinten am Gürtel, Pfefferspray vorne in der Weste. Aber statt Mützen tragen sie Fahrradhelme, dazu kurze Hosen, fingerlose Handschuhe und schwarze Turnschuhe.
Sven Rambow und Manuel Lanzky sind zwei von rund 25 Polizeibeamten im Land Brandenburg, die regelmäßig mit dem Fahrrad auf Streife gehen. Vor knapp zehn Jahren nahm in Potsdam Brandenburgs erste Fahrradstaffel der Polizei ihren Dienst auf. Die radfahrenden Beamten sollten vor allem in den weitläufigen Parks der Landeshauptstadt nach dem Rechten sehen. Mittlerweile gibt es offiziellen Angaben zufolge bei sechs Polizeiinspektionen „Fahrradcops“. Sie sollen für mehr Sicherheit im Radler- und Fußgängerverkehr sorgen und Verkehrsverstöße von Radfahrern ahnden, sagt Dietmar Keck, der Sprecher des Polizeipräsidiums Potsdam. Die Fahrradstreifen sollen aber auch zu mehr Polizeipräsenz in Gebieten beitragen, in denen Autos – auch die der Polizei – üblicherweise nicht unterwegs sind, beispielsweise auf den Radwanderwegen oder in den Fußgängerzonen.
Papiere im Koffer
Das Konzept scheint sich bewährt zu haben: Jedenfalls soll es vom nächsten Jahr an auch in Berlin eine Fahrradstaffel der Polizei geben. Das hat Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) im Frühjahr angekündigt. 24 Zweirad-Cops werden demnach in der Hauptstadt Dienst tun, sie sollen mit Pedelecs, also Rädern mit Elektromotor, ausgestattet werden.
Die beiden Zweirad-Polizisten im Spreewald müssen sich dagegen ganz aus eigener Kraft fortbewegen, ihre Dienstfahrzeuge sind normale, wenn auch qualitativ hochwertige Trekkingräder. Einzige Besonderheit ist der kleine Koffer auf dem Gepäckträger. Sven Rambow, 33, klappt den Deckel auf, in dem Koffer liegen die Formulare für die häufigsten Delikte: Blätter für Strafanzeigen oder für Unfallmitteilungen. „Wir gucken ja nicht nur auf die Fahrradfahrer“, sagt der Polizeiobermeister; letztlich versähen sie einen ganz normalen Streifendienst, einziger Unterschied sei das Fortbewegungsmittel.
Wenn sie nicht gerade Kampfradler zur Ordnung rufen, die Bürgersteige entlang brettern, auf der falschen Seite fahren oder im Dunkeln ohne Licht unterwegs sind, dann kümmern sich die beiden Polizisten hauptsächlich um Diebstähle, Einbrüche, Unfälle. Meistens sind sie in der Cottbuser Innenstadt unterwegs, nur selten patrouillieren sie in den umliegenden Gemeinden.
An diesem Samstagvormittag in Burg fahren die beiden erst mal stadtauswärts, ein Asphaltband schlängelt sich an einem Bach entlang, der Radweg führt am Bismarckturm vorbei. Schon als Otto von Bismarck Reichskanzler war, soll es Fahrräder bei der Polizei gegeben haben; ein paar Jahre später, Anfang des 20. Jahrhunderts, verfügte die Königliche Schutzmannschaft, der Vorläufer der Schutzpolizei, einem Bericht der Polizeihistorischen Sammlung zufolge über „insgesamt 127 Fahrräder für 1 050 radfahrkundige Beamte“.
Manchmal auch Touristen-Info
In der Polizeiinspektion Cottbus gäbe es fünf Diensträder, sagt Rambow. Zum Einsatz kommen sie aber nur, wenn genug Personal da ist. „Der normale Streifendienst im Auto hat Vorrang“, so der Polizeiobermeister, dem der freiwillige Dienst im Fahrradsattel sichtlich Spaß macht. 30 bis 50 Kilometer legten sie im Schnitt pro Schicht zurück, erzählt er. Wilde Verfolgungsjagden seien eher selten. „Wir sind hier ja nicht bei der Autobahnpolizei Cobra 11.“ Dennoch haben sich Rambow und Lanzky entschieden, die Einsätze für die Klickpedale aus ihren Schuhen zu entfernen. Wenn man doch mal jemandem zu Fuß hinterher sprinten müsse, sei das mit den Spezialschuhen eher schwierig.
Eine Gruppe Radfahrer kommt der Fahrradstreife entgegen: „Huch, Polizei“, ruft einer überrascht. „Auf die Plätze, fertig, los“, necken die Ausflügler die Polizisten. Doch Rambow und Lanzky radeln in gemächlichem Tempo weiter. Eine feste Route haben sie nicht. An diesem Vormittag geht es über die Ringchaussee zurück zur Stadtmitte – ohne besondere Vorkommnisse, alle Radfahrer verhalten sich korrekt, kein Autofahrer macht sich verdächtig, das Diensttelefon bleibt ruhig.
Zurück in Burg steigen die Polizisten von den Rädern ab und laufen durch die Straßen, die wegen eines Festes für den Verkehr gesperrt sind. Eine Blaskapelle spielt, Karussells drehen sich, Menschen drängeln sich an Ständen mit Gurken, Zuckerwatte und Töpferwaren. Die Polizisten ziehen die Blicke mancher Festbesucher auf sich: „Man ist näher am Bürger, das ist gut“, sagt Rambow. Es dauert nicht lange, da werden sie angesprochen. Es geht nicht um ein Verkehrsdelikt oder eine Anzeige, sondern um etwas ganz Banales: „Wissen Sie, wo hier die nächste Toilette ist?“, will eine Frau wissen. Die Fahrradcops geben ihr einen Tipp. Manchmal, sagt Rambow, sei man im Fahrraddienst auch eine Art Touristen-Info.