Fahrradfahren in Berlin: Die Schönhauser Allee soll für Radler attraktiver werden
Berlin - Auf kaum einer anderen Straße kommen die unterschiedlichsten Verkehrsteilnehmer so miteinander in Berührung wie hier – oft unfreiwillig. Radfahrer, Autofahrer, Passanten, Tram und über allem die U-Bahn ratternd auf dem Viadukt.
Zur Spitzenzeit reiht sich auf der Schönhauser Allee Schutzblech an Schutzblech, Stoßstange an Stoßstange. In den kommenden Jahren sind hier daher tiefgreifende Neuordnungen für alle Verkehrsteilnehmer geplant.
Ein Projekt der Technischen Universität will Händler und Kunden frühzeitig für den anstehenden Veränderungsprozess sensibilisieren und in einem ersten Schritt das Einkaufen per Rad auf der Schönhauser Allee attraktiver gestalten. Das TU-Projekt „2Rad-1Kauf-0Emission“ rief dazu eine Händler-Initiative ins Leben.
„Speziell der Radweg ist ein Horror"
Hinter der neuen Marke „Schönhauser-Rad-Allee“ stehen 15 Gewerbetreibende, die vor allem die Themen Gepäcktransport, Abstellmöglichkeiten, Aufenthaltsqualität und Pannenhilfe auf der Schönhauser Allee kreativ angehen wollen.
Einer der teilnehmenden Händler ist Michael Schaarschmidt. Mit seinem Blumenladen, den er seit 1993 führt, ist er eine Institution an der Allee. Dass er gern Rad fährt, sehen seine Kunden sofort, wenn sie sein Blumencafé betreten. Gleich zwei Fahrräder hängen als Deko zwischen den Pflanzen. Das rote Klapprad des Chefs steht fahrbereit am Tresen.
Michael Schaarschmidt kennt die Schönhauser Allee aus der Perspektive aller Verkehrsteilnehmer. „Die Verkehrsplanung hier stammt aus der Wendezeit“, sagt er. Sie sei völlig veraltet. „Speziell der Radweg ist ein Horror für alle Beteiligten“, so der 46-Jährige.
Kunden erhalten Flickzeug, Luftpumpen und faltbare Einkaufstaschen
Zwar sind besonders marode Betonplatten-Pisten mittlerweile asphaltiert, doch zahlreiche abbiegende Autos, Tramhaltestellen oder Baustellen, um die sich die Radler schlängeln müssen, sowie orientierungslose Touristen schaffen täglich eine gefährliche Gemengelage. „Da muss sich was ändern“, sagt Schaarschmidt in Richtung Senat.
Tatsächlich gibt es für die kommenden Jahre konkrete Vorhaben für die Umgestaltung der Allee. Sie reichen von Parkletts – Ruhezonen für Fußgänger auf dem bisherigen Parkstreifen – über breitere Radwege bis hin zur Fahrbahnverschwenkung.
Doch auch die Gewerbetreibenden wollen ihren Teil für eine fahrradfreundlichere Allee beitragen. Moderiert von den Forschern der TU finden regelmäßige Händler-Treffen statt, werden Ideen entwickelt und umgesetzt.
Kunden erhalten so in den teilnehmenden Geschäften Flickzeug, Luftpumpen und eine faltbare Einkaufstasche, die an den Gepäckträger geklickt werden kann. Für die dunkle Jahreszeit liegen gegen eine Spende Warnwesten bereit.
Gratis Lastenräder leihen
Spätestens in der kommenden Radsaison soll ein leihbares Lastenrad den Einkauf ohne Auto noch einfacher machen. „Hierzu planen wir eine Kooperation mit dem ADFC“, erklärt Dr. Eckart Schenk, der im TU-Fachgebiet „Integrierte Verkehrsplanung“ forscht und mit dem Projekt „2Rad-1Kauf-0Emission“ die Händler unterstützt.
Die Idee: Kunden können über das Internet gratis ein Lastenrad leihen und so Einkäufe transportieren.
Eine Verbesserung für Radler könnte außerdem in mehr Radbügeln bestehen, glauben die Händler. Auf der Ostseite der Allee sind genug da, doch auf der Westseite sieht es mau aus. Auch hier haben Händler und Wissenschaftler bereits konkrete Vorschläge erarbeitet.
Gegenüber vom Blumenladen gibt Jana Elias aus dem Spielzeugladen „Die wilden Schwäne“ einer Kundin erstmal eine knallgelbe Warnweste mit. Gesehen werden ist ein guter Anfang. Das gilt für Radler wie für die Probleme auf der Allee.