Fall Anis Amri: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen LKA-Beamte
Nach der mutmaßlichen Manipulation von Akten im Fall des Attentäters Anis Amri sind am Wochenende in Berlin Wohnungen und Arbeitsplätze mehrerer Beamter des Landeskriminalamtes durchsucht worden. Nach Angaben von Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, waren die Arbeitsplätze und Wohnungen von vier Zeugen und einem Beschuldigten betroffen. Es seien unter anderem Handys, Laptops und Speichermedien beschlagnahmt worden.
Vorwürfe abgeschwächt
Ein Beamter des Staatsschutzes wird beschuldigt, nach dem Terroranschlag vom 19. Dezember Vorwürfe gegen den Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri abgeschwächt zu haben. Aus einem gewerbs- und bandenmäßigem Drogenhändler wurde ein Kleindealer.
Mit der Fälschung sollte offenbar ein Fehler vertuscht werden. Denn Amri hätte möglicherweise wegen des stärkeren Vorwurfs in Untersuchungshaft genommen werden können. So wäre der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz vielleicht verhindert worden.
Der vom Senat beauftragte Sonderermittler Bruno Jost hatte bei der Aufarbeitung des Anschlags die widersprüchlichen Aktenvermerke in Protokollen der Telefonüberwachung entdeckt. In der elektronischen Akte des polizeilichen Informationssystems war die zehnseitige Langversion zu Amris bandenmäßigen Drogengeschäften gespeichert. Die Senatsverwaltung für Inneres kannte aber nur eine Kurzversion mit vier Seiten mit den abgeschwächten Vorwürfen.
Weiter im Dienst
Innensenator Andreas Geisel (SPD) machte die Erkenntnisse öffentlich und erstattete Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt und Urkundenfälschung. Daraufhin wurde im Abgeordnetenhaus ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Er soll vor der Sommerpause seine Arbeit aufnehmen, wenn Sonderermittler Jost am 3. Juli seinen Zwischenbericht vorgelegt hat.
Der Staatsschützer, gegen den ermittelt wird, ist weiterhin im Dienst. Ein Verbot der Dienstausübung käme nur in Betracht, wenn er mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe rechnen müsste, was aber unwahrscheinlich ist. Die Durchsuchung bei den vier Kollegen des Beamten hatte den Zweck, Spuren zu sichern, die den Tatvorwurf gegen den Beschuldigten erhärten. Dieses Vorgehen ist im Paragraf 103 der Strafprozessordnung geregelt.
Der Tunesier Amri war am 19. Dezember mit einem gekaperten Lkw in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast. Er tötete zwölf Menschen, mehr als 60 wurden verletzt. Wenig später wurde Amri auf der Flucht in Mailand von der Polizei erschossen.