Falsche Zahlen: Herr Lehmann und seine Geschäfte

Berlin - Rainer-Michael Lehmann war bei der Plenarsitzung am vergangenen Donnerstag nicht dabei. Der SPD-Abgeordnete habe sich für die Sitzungstage krankgemeldet, sagt eine Fraktionssprecherin. Anfang der Woche hatte der Pankower Parlamentarier selbst öffentlich gemacht, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Betrugsverdachts ermittelt.

Eine Bank wirft dem 51-Jährigen vor, im vergangenen April seine Einkommensverhältnisse durch falsche Angaben geschönt zu haben. Als Abgeordneter verdient Lehmann rund 3 300 Euro. Zusätzlich wurden Geschäftsführer-Bezüge in gleicher Höhe angegeben – die es aber offenbar gar nicht gab. Dadurch soll Lehmann den Rahmen für seinen Überziehungskredit unberechtigt auf 15.000 Euro ausgedehnt und wohl auch ausgeschöpft haben. Die Verdachtsmomente rechtfertigen aus Sicht der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren. Lehmann wurde Akteneinsicht gewährt. In Kürze werde seine Stellungnahme erwartet, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Martin Steltner.

Er wolle das Mandat ruhen lassen, bis die Vorwürfe geklärt sind, teilte er seiner Fraktion Anfang der Woche mit. Die überraschten Genossen lobten seine Transparenz. Für Irritationen sorgte aber, dass er ankündigte, die Fraktion freiwillig zu verlassen, sollte er angeklagt werden. Das sei voreilig und rechtlich nicht zwingend, so die Reaktion. Vor kurzem war Lehmann zum integrationspolitischen Sprecher gewählt worden. Er wird in der Fraktion als uneitler Abgeordneter geschätzt, der still seine Arbeit macht.

Der FDP den Rücken gekehrt

Über Privates ist über ihn in der SPD kaum was bekannt. Bis 1989 war er in der Druckerei des Neuen Deutschland beschäftigt, später als Bürgerberater bei den Bezirksämtern Prenzlauer Berg und Hohenschönhausen. Beim Abgeordnetenhaus, dem er seit 2001 angehört, hat Lehmann nach Auskunft der Pressestelle angegeben, Geschäftsführer der LEO-Gruppe Berlin zu sein. Dies sollte nach Gesetzeslage auch in seinem Internetauftritt stehen. Dort fehlt ein solcher Verweis.

Dafür ist Lehmann bei dem Unternehmer-Netzwerk Xing registriert. Unter „Ich biete“ ist vermerkt: „Büroservice, Büromanagement, Telefonservice, Geschäftsadresse, Postadresse, Webdesign, Internetseite, Anmietung Büroraum, stundenweise oder tageweise buchbar, vorbreitende Buchhaltung, Immobilienverkauf, Hausverwaltung.“ Eine ziemlich breite Palette. Unter den angegebenen Rufnummern der Büroadresse unweit der Frankfurter Allee gibt es nur die Ansage „keine Verbindung unter dieser Nummer.“

In Lehmanns SPD-Kreisverband Pankow, Prenzlauer Berg, Weißensee wusste man bisher kaum etwas über seine geschäftlichen Aktivitäten. Jetzt ahnt der überraschte Vorsitzende Alexander Götz: „Er hatte offenbar Probleme als Unternehmer.“ Journalistenanfragen beantwortet Lehmann nicht. Auch Götz ist es noch nicht gelungen, mit seinem Pankower Wahlkreisabgeordneten zu sprechen.

Erst seit März 2010 gehört Rainer-Michael Lehmann der SPD an. Unter Verweis auf deren zunehmende soziale Kälte hatte er zuvor der FDP und deren Abgeordnetenhausfraktion den Rücken gekehrt und damit die Mehrheit von Rot-Rot abgesichert. Die Liberalen geißelten Lehmanns Wechsel schon damals als Versuch, seine politische Zukunft zu sichern.

Gegen diesen Vorwurf nimmt SPD-Kreischef Götz den Abgeordneten in Schutz. Er kenne Lehmann aus dessen Zeiten als FDP-Kreischef. „Ich habe ihn immer angenehm, sachlich und konstruktiv erlebt, mit starker sozialpolitischer Ausrichtung.“ Bei den Berliner Liberalen sei er eigentlich „ein Fremdkörper“ gewesen. (mit sab.)