Finanzierung: Am BER heben nur die Kosten ab
Berlin - Geht es um Hunderte Millionen, geht es um Milliarden? Auf jeden Fall ist die Finanzierung für den Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg (BER) im Begriff, völlig aus dem Ruder zu laufen. Um den Flughafen „überhaupt flugfähig zu machen“ müssten weitere zwei Milliarden Euro investiert werden, sagte der Vorsitzende der oppositionellen CDU-Fraktion im Potsdamer Landtag, Dieter Dombrowski, unter Berufung auf Experten. Bislang sollten 4,3 Milliarden Euro für den Bau reichen. Das war schon mehr als doppelt so viel, wie ursprünglich veranschlagt.
Dombrowskis Angaben zufolge müssten möglicherweise Gebäude in Schönefeld abgerissen und neu gebaut werden. Er befürchtet: „Da kommt eine ganze Menge Geld auf die Steuerzahler zu.“ Mit mindestens 500 Millionen Euro Mehrkosten rechnet auch der Grünen-Fraktionschef im Landtag, Axel Vogel.
Aufsichtsrat tagt am Mittwoch
In der Staatskanzlei von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) werden solche Kalkulationen zurückgewiesen – nicht, weil sie zu hoch gegriffen wären, sondern weil sie schlicht verfrüht seien. Platzeck selbst hatte am Montag, als er sich bereiterklärte, den Aufsichtsratsvorsitz zu übernehmen, eine Neuberechnung der Flughafenkosten versprochen. Die aber werde eine Weile dauern.
Sicher ist: Ein Umbau oder gar teilweiser Rückbau des Terminals, den Technik-Chef Horst Amann angeblich wegen der gravierenden Mängel an der Brandschutzanlage erwägt, dürfte die Kosten für den Flughafen nach oben schießen lassen. Vor allem an der fehlerhaften Brandschutzanlage scheiterte bislang die Flughafeneröffnung. Der Aufsichtsrat berät am Mittwoch über die neuen Zusatzausgaben.
Auch Schallschutz könnte die Kosten explodieren lassen
Noch kurz vor Weihnachten hatte die EU-Kommission in Brüssel die bislang letzte Finanzspritze der drei Gesellschafter über 1,2 Milliarden Euro genehmigt. Davon entfallen auf Berlin und Brandenburg je 444 Millionen Euro, auf den Bund 312 Millionen. Die Auszahlung von 325 Millionen Euro sollte im Januar erfolgen, um die Zahlungsunfähigkeit der Flughafengesellschaft abzuwenden.
Die Regierung in Potsdam geht davon aus, dass die Haushaltsplanung mindestens für die nächsten zwei Jahre Makulatur ist. Im Dezember erst hatte die rot-rote Koalition im Landtag den Doppeletat 2013/14 verabschiedet. In Berlin akzeptierte das Abgeordnetenhaus im November einen Nachtragshaushalt, um die 444 Millionen Euro locker zu machen. Nicht nur die baulichen Mängel lassen riesige Mehrkosten erwarten. Unsicher ist, wie der Rechtsstreit um den passiven Schallschutz im Flughafenumfeld ausgeht. Es geht um die Frage, wie oft der Lärmpegel an einem Tag in Innenräumen den Wert von 55 Dezibel übersteigen darf. Von der Antwort hängen Mehrkosten von bis zu 500 Millionen Euro ab.
Auf Entschädigung hoffen viele der rund 70 Gewerbetreibenden, die im Juni 2012 in Schönefeld Gastronomiebetriebe oder Verkaufsläden eröffnen wollten und dafür große Summen investierten. Ungewiss ist, wie die Schadenersatzklage von Air Berlin ausgeht. Die kriselnde Fluggesellschaft will am BER ihr Luftdrehkreuz errichten. Auch wenn noch keine konkrete Summe benannt ist – es geht um einen zweistelligen Millionenbetrag.
Lufthansa und Deutsche Bahn noch zurückhaltend
Die Lufthansa verzichtet bislang auf Regressforderungen und will erst nach der Flughafeneröffnung eine Schadensbilanz aufmachen. Auch die Deutsche Bahn hält sich noch zurück, obwohl sie schon einen Schaden von 34 Millionen Euro errechnet hat, der ihr bei einem BER-Start am 27. Oktober 2013 entstanden wäre. Jetzt wird es noch teurer.
Und ganz nebenbei kostet der nichteröffnete BER die Flughafengesellschaft jeden Monat 15 Millionen Euro. Die Abfindung, die Flughafenchef Rainer Schwarz möglicherweise bei seiner Ablösung in der nächsten Woche erhält, fällt bei diesen Summen fast gar nicht mehr auf: 1,8 Millionen Euro.