Flohmarkt am Berliner Arkonaplatz: Die Fantasie lebt hier auf

Auf Flohmärkten macht die Fantasie eine Rolle rückwärts und dann einen Salto. Wem hat hier was einst gehört? Und wird es neue Käufer geben?

Gucken und Stöbern: Blick auf einen Berliner Flohmarkt.
Gucken und Stöbern: Blick auf einen Berliner Flohmarkt.IMAGO

Noch belebt nur die Sonne das Pflaster des Arkonaplatzes, mustert es mit Aprilmorgenwärme, zugewandt, weltgewandt. Wenige Händler stehen am Rand des Rechtecks, rauchen, trinken Hei��es, plaudern. Es ist unübersehbar: Man kennt einander, man trifft sich hier – jeden Sonntag, um Altes neuen Besitzern zuzuführen. Um den Kreislauf der Dinge nicht zu unterbrechen.

Eine Stunde später ist der zuvor stille Ort nicht wiederzuerkennen. In akkuraten Reihen lehnen sich Stände unter weißen Planen aneinander. Die ersten Besucher spazieren mit der Langsamkeit derer an den Tischen vorbei, die wissen, dass sie zu den Ersten gehören. Den Ersten, die sich über Schmuck und Geschirr beugen, die Finger durch Stoffe an Kleiderstangen gleiten lassen, zu den Ersten, die staunen. Jedenfalls dann, wenn der Flohmarktbesuch noch nicht in Professionalität erstarrt, oder zur Notwendigkeit geworden ist.

Wer hat die lilafarbene Strickjacke getragen?

Denn welche Reaktion ist denkbar bei einer Begegnung mit einer großen Ansammlung von Pfeffermühlen? Konfrontiert mit einem krachbunten Alphabet aus Leuchtbuchstaben, die man spontan zu Wörtern zusammensetzen möchte? Angesichts eines Mantels in einem Lila von dessen Existenz im Farbbogen man bisher nichts wusste. Bommel hat er auch. Was Menschen alles anziehen. Gerne ansehen. Anfassen. Was sich alles verkaufen lässt.

Das wechselnde Licht über dem Geschehen scheint es zu kommentieren. Sie ist eine ständige Zeugin, die Sonne. Sie ist eine Zeugin der Lebensgeschichten, die hier erzählt werden, hier, unter den vom Aprilwetter gebeutelten Plastikplanen, durch die mal ein Raunen geht, dann ein Gezwitscher flattert. Anders als neue Dinge, die nur von ihrem Dasein in Fabriken und Geschäften berichten können, werden hier Jahrzehnte episch ausgebreitet. Die Fantasie vollzieht eine Rolle rückwärts und anschließend jauchzend einen Salto. Wer hat die lilafarbene Strickjacke getragen? War sie mal ein Lieblingsstück? Oder ein Kompromiss? Und wer wird sie demnächst anziehen?

Geschichten und Dinge

Hinter einem Tisch steht eine Bekannte. Sie entrümpelt die Wohnung der verstorbenen Mutter. Ob die  Pfeffermühlen auch jemanden gehörten, der mittlerweile tot ist? Waren sie eine Sammlung, die einst eine Küche schmückten? Eine hölzerne Eckbank würde dazu passen. Und Zierteller.

Der erste Eindruck, dass man hier einander kennt, ist auf der kleinen Runde mitspaziert. Denn ja, man meint, ein paar der Anwesenden jetzt besser zu kennen. Wegen der Geschichten, die Dinge erzählen. Unentwegt und immer schon.

Trödelmarkt Arkonaplatz Berlin, sonntags 10:00 bis 16:00 Uhr.