Flughafen-Architekt von Gerkan: "So etwas Schlimmes ist mir noch nie passiert“

Meinhard von Gerkan wundert sich nicht darüber, dass der BER in Schönefeld immer noch nicht fertig ist. „Der Flughafen ist zwei Jahre nur sauber gefegt worden. Es wurde nicht mehr gearbeitet“, sagte der Mann, der die Gebäude entworfen hat, am Freitag im BER-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Anlass der Stagnation sei eine Entscheidung gewesen, über die sich der mittlerweile 79 Jahre alte Architekt heute noch aufregen kann: Im Mai 2012 bekam die Planungsgemeinschaft, an der von Gerkans Büro gmp beteiligt war, über Nacht die Kündigung. „Wenn man 300 Planer von der Baustelle verjagt, dann kann nur absolutes Chaos herauskommen.“ Einige Abgeordnete hatten jedoch Zweifel an von Gerkans Erklärung.

Der Bauherr ist schuld. So lässt sich zusammenfassen, was der Mann in der typischen Architektenkluft (schwarze Hose und Jacke, weißes Hemd ohne Krawatte) stundenlang ausführte. Schuld an den Verschiebungen des Eröffnungstermins, Schuld an Komplikationen, Schuld am Schneckentempo auf der Baustelle in Schönefeld. Wer den Hamburger Architekten kennt, der weiß, dass Selbstkritik nicht seine Sache ist. Allerdings gelang es ihm auch klar zu machen, dass das Flughafenprojekt BER tatsächlich an gravierenden Problemen krankt.

Fast 500 Änderungswünsche

Da ist die mangelhafte Kommunikation des Auftraggebers. Von Gerkans Architekturbüro gmp hat schon einige Flughäfen geplant, mit den Chefs von vier Airports sei er noch befreundet. Mit den inzwischen geschassten BER-Verantwortlichen Rainer Schwarz und Manfred Körtgen dagegen nicht – was lange zurückreicht. „Zu Beginn habe ich Herrn Schwarz um ein Vier-Augen-Gespräch gebeten. Es fand nie statt.“ Regelmäßige Treffen, wie sie bei Bauprojekten üblich sind, gab es ebenfalls nicht. Mit den Geschäftsführern habe er „sehr selten geredet, meist zufällig auf der Baustelle“.

Der erste BER-Eröffnungstermin sei ohne Beratung festgelegt worden, Kosten wurden grob geschätzt. Bei allen Großprojekten schwingen Hoffnung und Wünsche mit, „die Realität steht immer am Rand“.

Kommunikationsdefizite gab es vor allem bei den Änderungen, die verlangt wurden – von Gerkan bezifferte sie auf 487. Große zusätzliche Ladenflächen mussten eingepasst werden, immer neue Sicherheitsanforderungen erforderten weitere Umplanungen. Einen Dialog mit seinem Unternehmen, das immerhin 370 große Bauten geplant hat, habe es nicht gegeben. „Wir wurden nie gefragt, wir kriegten nur Anweisungen. Wir wurden wie Erfüllungsgehilfen, wie Kellner behandelt.“

Die Kündigung im Mai 2012 habe ihn ebenfalls aus heiterem Himmel getroffen. Er war mit seinen Partnern gerade zu einer Klausurtagung auf Mallorca eingetroffen, als ihn die Nachricht erreichte. „Ein Akt der Willkür“, klagte von Gerkan.
„So etwas Schlimmes wie hier ist mir in 40 Jahren noch nicht passiert.“ Er habe dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gleich einen Brief geschrieben und ihn vor den Folgen gewarnt. Als Antwort kam nach einem Monat ein Vierzeiler: Er möge sich an die Flughafenverwaltung wenden.

Rügen? Welche Mängelrügen?

Es werde eine lange Unterbrechung geben, habe er dem Regierenden mitgeteilt. Und so sei es auch gekommen: „Ein Vakuum trat ein.“ Dass Horst Amann im August 2012 als neuer Technik-Geschäftsführer anfing, habe daran nichts geändert. Im Gegenteil: „Er hat nicht nach Fehlern gesucht, sondern neue hergestellt.“ Ein Beispiel: Amann habe die fertige Hallendecke im Terminal an Dutzenden Stellen öffnen lassen, Kabel hingen heraus. „Dabei gab es keine Fehler bei der Verkabelung“ – was andere Fachleute anders sehen.

Der einzige Fehler, den von Gerkan zugab, war: Er habe nicht klar genug mehr Mitwirkung gefordert. An der Arbeit der Planungsgemeinschaft, die auch für die Bauüberwachung verantwortlich war, habe es nichts auszusetzen gegeben. „Ich habe nicht wahrgenommen, was Dissonanzen hervorgerufen haben könnte.“ Die Kündigung kam völlig überraschend, es gab keine Rügen.

Da musste der SPD-Abgeordnete Frank Zimmermann dann doch widersprechen. Mehr als 180 Mal sei die Arbeit der Planungsgemeinschaft wegen schlechter Leistungen offiziell gerügt worden. „Sind Ihnen die Mängelrügen des Bauherrn nicht bekannt?“ Von Gerkan entgegnete, dass solche Feststellungen nicht unüblich seien. Es gehe immer auch um „Learning by doing“.

Und die Entrauchungsanlage im Terminal ? Sei die nicht falsch konzipiert? Sein Büro habe nur „die Karosserie, die Hülle“ geplant, entgegnete von Gerkan. Viel wichtiger sei die Steuerung – dafür wären andere verantwortlich gewesen. Siemens und Bosch hätten Systeme konzipiert, die sich nicht vertragen.

Wird der BER fertig? Ja. „Ich bin guter Hoffnung, dass dieser Flughafen ins Herz der Berliner wächst.“