Flughafen Tegel wird zum Denkmal: Landeskonservator Christoph Rauhut im Interview
Berlin - Seit mehr als zwanzig Jahren wird gefordert, den Flughafen Tegel unter Denkmalschutz zu stellen. Also den ehemaligen französischen Militärflughafen mit seinen eleganten Bauten aus den frühen 50er-Jahren und die beiden Hauptterminals A und B, die 1965 von Volkwin Marg, Meinhard von Gerkan und Klaus Nickels entworfen wurden. Am Montag gab Landeskonservator Christoph Rauhut bekannt, dass die Bauten in die Denkmalliste eingetragen sind.
Herr Rauhut, warum kommt Tegel erst jetzt auf die Denkmalliste?
Der Denkmalwert ist schon länger bekannt und anerkannt. Seit 2013 gibt es auch zu beiden Flughafenanlagen Gutachten, die dies detailliert bestätigen. Aber man hat zunächst mit der Eintragung gezögert, um die Planungen für den Umzug der Beuth-Hochschule in das Terminal A nicht zu belasten. Inzwischen hat sich gezeigt, dass beides, Denkmalschutz und Umzug, vereinbar sind. Die Eintragung in die Denkmalliste ist also ein konsequenter Schritt, um Rechtssicherheit auch für die kommenden Debatten zu schaffen.
Was ist denn das speziell Denkmalwürdige am Flughafen Tegel?
Der Flughafen besteht aus zwei Teilen: Der einstige Militärflughafen der Franzosen, Tegel-Nord, ist vor allem ein Denkmal der Blockadezeit. Und mit dem seit 1965 von gmp geplanten neuen Passagierflughafen, Tegel-Süd, hat sich West-Berlin Ende der 1960er-Jahre verkehrstechnisch neu aufgestellt und mit auffallend moderner und fortschrittlicher Architektursprache ein neues Image geschaffen.
Kann man das auch an den Formen sehen?
Das wirklich Besondere ist die Struktur, die die Fortschritts- und Technikgläubigkeit der Zeit spiegelt. Die Flugzeuge, die direkt an das Terminal heranfahren können, die Flugsteige, die direkt in das Gebäude und zu der breiten Verteilerzone führen – und von der anderen Seite die Autos, die hier mit dem Flugzeug fast gleichgesetzt werden. Der Flughafen der kurzen Wege ist da der Mittler zwischen Auto und Flugzeug.
Ein Gesamtkunstwerk?
Ja. Die Planer haben auf allen Eben ein einheitliches Konzept gehabt, das fängt an bei der städtebaulichen Komposition aus den beiden großen Sechsecken – von denen ja nur eines verwirklicht wurde – und geht über die Struktur des Dreieckrastersystems, das man zum Beispiel in den Eisenbetonfertigteilen und Stahlskelettteilen wiederfindet, bis zu den Türklinken oder Fußbodenbelägen. Das kann man bis in die Gestaltung der Servicegebäude nachvollziehen.
Das Gebäude ist immer wieder umgestaltet worden. Da wurden Shops eingebaut, neue Fußböden verlegt. Was ist da noch Denkmal?
Aus unserer Sicht gibt es noch große Bereiche mit originaler Substanz und originalen Strukturen. Das sind etwa die Tragkonstruktionen, die Fassaden, die große Lichthalle im Terminal B, die vielen Bestandsgebäude, die der tagtägliche Besucher gar nicht sieht, die aber oft sehr gut erhalten sind.
Was bleibt von dem Raumerlebnis übrig, wenn keine Flugzeuge mehr starten und die Autos nicht mehr in den großen Ringhof fahren werden?
Das ist sicher eine Herausforderung, vor allem auch, weil sich die gesamte Erschließung des Gebäudes verändern wird. Das Erdgeschoss von Terminal A etwa, wo bisher die technischen Anlagen untergebracht sind, soll dann geöffnet werden. Dort und in den Obergeschossen wird sich die Beuth-Hochschule etablieren, während im Terminal B das Gründerzentrum einziehen soll – das sind vor allem Büros. Bisher jedenfalls konnten wir sichern, dass die aus unserer Sicht wichtigen Teile des Denkmals erhalten beziehungsweise erfahrbar bleiben.
Müssen die Fassaden ersetzt werden?
Aktuell geht es erst mal um die planerischen Grundlagen. In den nächsten Schritten müssen wir gemeinsam Lösungen finden, wie man mit den Details umgeht. Sicher ist, dass das Gebäude seine Funktion grundlegend verändern wird, da wird auch die Denkmalpflege Kompromisse machen müssen.
Wirkt sich der Denkmalschutz denn auf den aktuellen Betrieb des Flughafens aus, der derzeit ja mehr denn je gebraucht wird?
Im Wesentlichen nicht. Wir gehen nicht davon aus, dass die Flughafengesellschaft noch größere Maßnahmen am Gebäude durchführen wird. Aber kleinere bauliche Maßnahmen müssen natürlich ab jetzt auch denkmalrechtlich genehmigt werden – so wie bei jedem anderen Bauantrag.
Es gibt die Überlegung, ein neues Stadion für Herta BSC hier zu errichten.
Bisher kennen wir nur die Planungen für die Bebauung des Geländes, und wenn die Urban Tech Republic hier entstehen soll, wie es geplant ist, dann wird sich sicher viel verändern. Die Planung eines Stadions müsste dann in diese integriert werden.
Gab es eigentlich Überlegungen von Denkmalpflegern, die Start- und Landebahnen in Tegel zu schützen, also die Freiflächen, wie dies mit dem Flughafen Tempelhof geschehen ist?
Wir haben uns selbstverständlich gefragt, wie wichtig und wie besonders das Feld zwischen den beiden Flughafenanlagen ist. Und sind zu dem Ergebnis gekommen, diese nicht unter Schutz zu stellen.
Es ist ja nicht der erste Flughafen, der unter Schutz steht – Tempelhof, Los Angeles oder Vantaa bei Helsinki ...
Berlin hat sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal, weil mit Tegel Nord, dem französischen Militärflughafen, und Tegel-Süd, dem Flughafen Otto Lilienfeld, sowie mit dem Flughafen Tempelhof und der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt in Johannisthal zentrale Gebäude der Flughafenbaugeschichte unter Schutz stehen. Dazu muss man eigentlich auch die historischen Bauten in Schönefeld rechnen, die von den brandenburgischen Kollegen betreut werden.