Forsa-Umfrage zur Terrorangst: Gelassenheit hilft gegen die Furcht

Berlin - Schon vor dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz waren sich die Berliner der Terrorgefahr in der Hauptstadt bewusst. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Berliner Zeitung unmittelbar vor dem Anschlag hatte mehr als die Hälfte der Berliner angegeben, Sorgen vor den Terrorismus-Gefahren zu haben. Nach dem Attentat am 19. Dezember stieg dieser Anteil auf 69 Prozent.

Forsa befragte 1003 Berliner zu ihrer Angst vor terroristischen Anschlägen in der Hauptstadt

Das Meinungsforschungsinstitut befragte zwischen dem 12. und 23. Dezember 1003 Berliner. Noch im Jahr 2013 waren die durch Terrorismus bedingten Gefahren in der Stadt ein Randproblem. Nur 18 Prozent der Berliner hatten damals gesagt, dass beunruhige sie.

Der Psychiater Andreas Heinz rät eindringlich, die Berliner sollten sich nicht abschrecken lassen, ein öffentliches und soziales Leben zu führen. Der Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Campus Charité Berlin Mitte, sagte der Berliner Zeitung: „Wir sollten uns nicht in die Einsamkeit und Isolation zurückdrängen lassen. Jeder, der sich in einer trotzigen Reaktion entschieden hat, hinauszugehen, tut etwas Positives für unsere freiheitliche und offene Gesellschaft. Das haben zum Glück viele Berliner geschafft.“

Doch ängstliche Menschen sollten nicht unter Druck gesetzt werden. „Wer Angst hat, darf Angst haben.“ Jeder Terrorangriff sei traumatisierend und besonders verheerend, weil er sich gegen eine Gruppe von Menschen richtet. Viele fühlten sich persönlich angegriffen.

Von aufgeheizter Stimmung kann keine Rede sein

Insgesamt beurteilen die Berliner die Lage aber offenbar nüchtern und gelassen. So hielten noch im Januar dieses Jahres 70 Prozent der Befragten Ausländer und Integration für das größte Problem, aktuell hat sich dieser Anteil mehr als halbiert. Von einer aufgeheizten Stimmung kann keine Rede sein.

Unabhängig davon gibt es eine Debatte um schärfere Sicherheitsmaßnahmen und verstärkte Videoüberwachung. Am Weihnachtswochenende hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nachgelegt. Er verwies darauf, dass die Bundesregierung gerade erst einen Gesetzentwurf verabschiedet habe, der die Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen erleichtere. „Der neue Berliner Senat sollte seine Haltung zur Videoüberwachung überdenken“, sagte der Minister der Bild am Sonntag.

Er fügte hinzu: „Zusätzlich arbeiten wir daran, Gesichtserkennungs-Software einsetzen zu können. Dann könnte man zur Fahndung ausgeschriebene Personen leichter entdecken, immer wenn sie an einer Videokamera vorbeikommen.“ Videoüberwachung könne an besonderen Orten sinnvoll eingesetzt werden, sagte der Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, der Berliner Zeitung.

Der Ruf nach mehr Videoüberwachung wird laut

Sie habe aber natürlich verhältnismäßig zu erfolgen. Wichtig sei, dass man sich bewusst mache, dass Videokameras keine Straftaten verhinderten. „Die pauschale Forderung vor allem konservativer Politiker nach mehr Kameras – nun nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz – soll offenbar eigene Versäumnisse kaschieren“, sagte von Notz. „Diesen schrecklichen Anschlag hätten auch tausend Kameras am Breitscheidplatz nicht verhindert.“

Die gute Arbeit von Sicherheitsbehörden aber könne solche Anschläge verhindern, ergänzte er. „Dafür braucht es eine gut ausgebildete und personell wie technisch gut ausgestattete Polizei.“ In einer deutschlandweiten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprechen sich 73 Prozent der Befragten dafür aus, die Polizeikräfte aufzustocken.

60 Prozent befürworten auch eine stärkere Videoüberwachung öffentlicher Räume. Das Sicherheitsbedürfnis der Bürger nehme wegen der erhöhten Terrorgefahr und der steigenden Hass-Kriminalität deutlich zu, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der Funke-Mediengruppe. „Dem Schutz der Allgemeinheit ist Vorrang vor dem Schutz der informationellen Selbstbestimmungsfreiheit einzuräumen.“

Die Berliner CDU möchte die Lage neu bewerten

Die Berliner CDU unterstützt erwartungsgemäß den Vorstoß von de Maizière. Innensenator Andreas Geisel (SPD) ist da eher zurückhaltend. Er will zunächst die Ermittlungsergebnisse abwarten. „Wir sollten die Hintergründe aufklären und dann mit kühlem Kopf in die politische Diskussion über Vor- und Nachteile der Videoüberwachung einsteigen“, sagte sein Sprecher Martin Pallgen am Montag.

Es sei niemandem geholfen, noch unter dem frischen Eindruck der Tat Forderungskataloge aufzustellen. „Klar ist aber auch, dass wir die Lage neu bewerten müssen“, sagte Pallgen. Das dürfte vor allem Diskussionen bei der Linken und den Grünen auslösen, auf deren Drängen das Thema Videoüberwachung im Koalitionsvertrag ausgespart wurde. Der Vorgänger-Senat hatte auf Initiative der CDU noch im Juni entschieden, Orte mit hoher Kriminalität überwachen zu lassen.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte diesen Beschluss mitgetragen, war aber von seiner Fraktion ausgebremst worden.