Fraenkelufer: Pläne für Wiederaufbau zeigen alte Synagoge in Weiß

Die beiden Männer haben sichtlich Freude aneinander. „Was gibt es für ein schöneres Kompliment, als dass Menschen jüdischen Glaubens wieder Vertrauen in die deutsche Politik haben?“, fragt Raed Saleh, der Fraktionschef der SPD im Abgeordnetenhaus, am Donnerstag vor der kleinen Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg in die Runde. Und er lächelt zu Gideon Joffe hinüber, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, der sich mehrfach und ausführlichst bei Raed Saleh, seinen Stellvertreterinnen Iris Spranger und Ülker Radziwill sowie der ganzen SPD-Fraktion bedankt.

Dafür, dass sie den Wiederaufbau des großen Haupthauses dieser Synagoge – zerstört in Pogromnacht und Krieg, abgetragen Ende der 50er-Jahre – mit so viel Engagement vorantreiben. „Als ich vor zwölf Jahren erstmals zum Vorsitzenden gewählt wurde“, sagt Joffe, „da hätte ich nicht gedacht, dass einmal ein Berliner palästinensischen Ursprungs uns bei einer solchen Sache unterstützt.“

Das ist der Anlass des Treffens an diesem kalten Donnerstagmittag am Landwehrkanal zwischen Kreuzberg und Neukölln. An dieser Stelle, damals hieß das Fraenkelufer noch Kottbusser Ufer, stand seit 1916 ein neoklassizistischer Prachtbau, etwas nach hinten versetzt auf dem Grundstück in Richtung Kohlfurter Straße, wo heute eine undefinierbare Grünanlage mit vereinsamten Spielgeräten und ein kleiner Sportplatz der benachbarten Jens-Nydahl-Grundschule zu sehen ist.

Das Gebäude, die „Orthodoxe Synagoge“, war eine der größten (mit 2000 Plätzen, je tausend für Männer und für Frauen) und einer der schönsten Synagogen Berlins, dreischiffig, mit einem Säulenportal, mächtigen Dreiecksgiebeln und einem repräsentativen Innenraum, von dem allerdings kaum noch Bilder erhalten sind.

Früher Lagerhalle für Raubgut

Der Architekt Alexander Beer, der drei Jahrzehnte später in Theresienstadt ermordet wurde, entwarf die Gesamtanlage – ein ganzes Gemeindezentrum, von dem heute nur noch ein Nebenflügel steht, in dem immerhin ein Festsaal und die alte Wochentags- und Jugendsynagoge untergebracht sind. Dort beten Juden bereits wieder seit 1945, zum ersten Mal nach Kriegsende in der ehemaligen Reichshauptstadt.

Das Haupthaus war in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 von Nazi-Trupps, aber auch von Bewohnern aus der Nachbarschaft zunächst innen zerstört worden. Torarollen wurden verbrannt, die Einrichtung demoliert. Im Krieg beschlagnahmte die Gestapo das Gebäude, nutzte es zynischerweise als Zwischenlager für geraubtes jüdisches Eigentum. Dann stand hier Militärgerät. Sprengbomben machten das Haus zur Ruine, die noch bis in die späten 50er-Jahre zu sehen war, bevor sie abgetragen wurde.

An diesem Donnerstag steht ein junger Mann vor dem Eingang zum alten Nebengebäude und hält ein paar ausgedruckte Bilder hoch: eine Kombination aus dem fotografierten Gebäudebestand auf diesem Grundstück und einer per Computersimulation hineinkopierten neuen alten Synagoge – in strahlendem Weiß gehalten. So leuchtend hell gestrichen war das Hauptgebäude nie, aber das ist Absicht, denn der junge Mann, der Architekt Kilian Enders vom Büro D-Form, sagt, sein Vorschlag sei keine „Rekonstruktion“, sondern ein „Wiederaubau“, dessen Unterschiede zur historischen Vorlage gerade den Bruch deutlich machen sollen, den es an dieser Stelle gegeben hat.

In die Gemeinde verliebt

Raed Saleh ist sehr begeistert von den Bildern, die der Architekt Enders laut dem Pressesprecher der SPD-Fraktion kostenlos angefertigt hat, weil er ebenfalls „von der Idee begeistert“ gewesen sei und sich „unbedingt einbringen“ wollte. Saleh sagt, die Idee eines Wiederaufbaus dieser Synagoge sei am 9. November vorigen Jahres entstanden. Was nicht ganz stimmt, denn das war – symbolträchtig – nur der Tag, an dem der SPD-Fraktionschef diese Idee („Wer Schlösser wiederaufbaut, sollte auch Synagogen wiederaufbauen“) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vollumfänglich vorstellte – und auch das zerstörte Haus am Fraenkelufer als geeigneten Standort präsentierte. „Ich habe mich ein Stück weit in diese Gemeinde verliebt“, sagt Saleh.

Und Joffe bedankt sich bei ihm auch ausdrücklich für die 3,6 Millionen Euro, die die rot-rot-grünen Regierungsfraktionen und „insbesondere Herr Saleh“ für den Aufbau einer Jüdischen Sekundarschule in der Auguststraße in Mitte bereit gestellt haben, am einstigen Standort des Jüdischen Krankenhauses, später eines Kinderheims. Auch zu DDR-Zeiten gab es hier, bis in die 80er-Jahre, eine Schule. Das Geld stammt aus dem Sondertopf namens „Siwana“, in den seit Jahren Haushaltsüberschüsse fließen.

Für das Synagogen-Projekt am Fraenkelufer, das laut Joffe ein „Begegnungszentrum“ für Juden und Nicht-Juden sein soll, steht noch kein Geld bereit. Rund 28 Millionen Euro wird es wohl kosten, lautete eine erste Schätzung. Saleh und seine Vize-Fraktionschefin Iris Spranger sagen, es gebe viele Töpfe: Landesmittel, Bundesmittel, Lottomittel, aber natürlich auch Spenden und Stiftungen. Joffe betont, dass der Wiederaufbau „kein Schwerpunktprojekt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin“ sei, denn die habe etwa mit dem Sanierungsbedarf bestehender Synagogen sowie der Platznot bei Schulen und Kitas genug zu regeln. Er sei Raed Saleh aber sehr dankbar für diesen „Impuls von außen“.