Johann von Bülow: „Wenn Berlin etwas für dich ist, weißt du das sofort“

Unser Berlin-Fragebogen mit dem Schauspieler Johann von Bülow, der schon immer hier leben wollte und verrät, welche europäische Stadt gerade noch im Kommen ist.

Lebt mit seiner Familie in Prenzlauer Berg: der Schauspieler Johann von Bülow.
Lebt mit seiner Familie in Prenzlauer Berg: der Schauspieler Johann von Bülow.Mathias Bothor/photoselection

Berlin hat rund 3,7 Millionen Einwohner, und jeder hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern? In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie lieber meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

Diesmal hat der Schauspieler Johann von Bülow unsere Fragen beantwortet, der aktuell auch als Autor von sich reden macht. Gerade hat der 50-Jährige seinen ersten Roman veröffentlicht. In „Roxy“ erzählt von Bülow die Geschichte einer Freundschaft und davon, wie dünn die Linien zwischen Freundschaft und Rivalität manchmal sind. Aber auch auf der großen Kinoleinwand ist der aus zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen bekannte Schauspieler derzeit zu sehen: Im Oscar-Favoriten „Tár“ hat Johann von Bülow, der mit seiner Familie inklusive Hund in Prenzlauer Berg lebt, eine Gastrolle übernommen.

1.           Herr von Bülow, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

Ich wohne seit 2009 in Berlin, wäre gern schon früher hergekommen, aber gut Ding will offenbar Weile haben. Ich war vorher gefühlt 500-mal in der Stadt, zum ersten Mal 1987 im alten Westen und seitdem immer wieder. Bei einem Besuch in den Herbstferien 1989 war ich sogar bei der großen Demo am 4. November am Alex dabei. Ich wusste immer, ich will hier irgendwann leben. Aber weil ich so lange an verschiedenen Theatern über ganz Deutschland verteilt engagiert war, hat es einfach nicht früher geklappt. Dafür bleibe ich jetzt wahrscheinlich auch für den Rest meiner Zeit da.

2.           Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

Ich habe nicht den einen Lieblingsort, aber ein Platz, an dem mich immer wieder dieses ganz spezielle Berlin-Gefühl überkommt, ist der Rosenthaler Platz in Mitte. Weil da immer so viel Leben ist, weil man da all die Veränderungen, die die Stadt vollzogen hat, so sehr spüren kann. Und weil man dort stundenlang Menschen beobachten kann, die interessant aussehen.

3.           Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

Nach Pankow? Da ist jedenfalls weniger los. Aber eigentlich muss man Berlin ganz verlassen, wenn man sich entspannen will. Wenn schon, dann aber lieber gleich richtig. Also eher nach Italien als nach Brandenburg.

4.           Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

Ich meide keine Ecken bewusst. Aber ich bin eher selten in Reinickendorf, Friedenau oder Moabit. Man muss sich ja auch ein paar Entdeckungen noch aufsparen.

5.           Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

In letzter Zeit das Vietnam Village in der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg. Günstig und immer top. Oder das Oukan Dining in der Ackerstraße in Mitte. Bisschen edler, aber eine sensationelle vegane Küche. Und natürlich mein all-time favourite: das Lokal in der Linienstraße in Mitte.

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Carsten Koall/dpa
Zur Person
Johann von Bülow kam 1972 in München zur Welt, wo er auch eine Schauspielausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule absolvierte. Er entstammt einem alten mecklenburgischen Adelsgeschlecht und ist ein entfernter Verwandter von Vicco von Bülow alias Loriot. Seinen Durchbruch hatte Johann von Bülow 1995 in Hans-Christian Schmids Komödie „Nach Fünf im Urwald“, seither trat er in weit über 100 Film- und Fernsehproduktionen vor die Kamera und wirkte in etlichen Theater- und Bühneninszenierungen mit. TV-Zuschauer und Kinogänger kennen ihn aus Produktionen wie „Klassentreffen“, „Das Adlon“ oder Oliver Hirschbiegels Film „Elser“, in dem er den Gestapochef Heinrich Müller spielt.

Sein Roman „Roxy“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen (336 Seiten, 24 Euro). Am 1. April ist Johann von Bülow in der vierteiligen Miniserie „Ein Schritt zum Abgrund“ in der ARD zu sehen (ab 24.3. in der Mediathek).

6.           Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

Mazooka Berlin in der Kastanienallee gefällt mir ganz gut. Aber meistens komme ich nur auf Reisen zum Einkaufen.

7.           Der beste Stadtteil Berlins ist ...

... wahrscheinlich am Ende doch Mitte. Weil hier alles angefangen hat, wofür Berlin in den letzten 30 Jahren berühmt geworden ist. So oft geschmäht und beschimpft, das muss man sich erst mal verdienen.

8.           Das nervt mich am meisten an der Stadt:

Der ständige Dreck. Wobei der gleichzeitig ein Gradmesser der Freiheit ist, wie mir ein befreundeter russischer Schriftsteller vor ein paar Jahren verriet, als wir darüber sprachen. „Wenn ich in Berlin bin“, sagte er, „freue ich mich immer darüber, dass es hier so unglaublich dreckig ist. In Moskau ist alles immer sauber. Sauberkeit auf den Straßen ist ein sicheres Zeichen für Autoritarismus und Unfreiheit. Seid froh, dass es hier so dreckig ist, das bedeutet, ihr seid frei.“

9.           Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

Es gehört offenbar zur DNA dieser Stadt, dass alle immerzu über alles Mögliche meckern. Wir brauchen zum Beispiel meines Erachtens dringend eine effizientere Verwaltung. Jeder, der sich damit auskennt, sagt, der Zuständigkeitsdschungel zwischen dem Senat und den Bezirken muss reformiert werden. Berlin verändert sich aber sowieso ständig, und vielleicht ist es sinnlos, diese Veränderungen irgendwie beeinflussen zu wollen. Die besten Dinge in dieser Stadt sind einfach entstanden, weil sie so nur hier möglich waren.

10.         Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

Wer unentschlossen ist, sollte vielleicht lieber wegbleiben. Entweder diese Stadt ist etwas für dich, dann weißt du das doch sofort, oder eben nicht. Das wird nicht besser mit der Zeit. Man muss diese Stadt schon lieben, wenn man mit all ihren Unzulänglichkeiten klarkommen will.

11.         Cooler als Berlin ist nur noch …

Wien ist ziemlich im Kommen, habe ich gehört.