Franziska Giffey hat trotz Plagiats-Vorwürfen gute Chancen für Zweitkarriere

Berlin - Im Plenum des Berliner Abgeordnetenhauses hat die Rücktritts-Ankündigung von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) am Donnerstag für einige Aufregung gesorgt – und das bei allen Fraktionen. Das lag aber vor allem daran, dass viele dachten, sie habe ihr Amt bereits aufgegeben. Giffey hatte zuvor erklärt, dass sie wegen des Verfahrens um ihre Doktorarbeit nicht für den Vorsitz der Bundes-SPD kandidieren wolle. Sollte ihr der Titel tatsächlich aberkannt werden, werde sie aber auch als Bundesministerin zurücktreten.

Giffey steht im Verdacht, bei ihrer Doktorarbeit viele Passagen von anderen Autoren abgeschrieben zu haben, ohne dies ausreichend kenntlich gemacht zu machen. Die Freie Universität (FU) hat deshalb eine Kommission eingesetzt, die darüber befinden soll, ob sie ihren Doktortitel verliert. Ob und vor allem wann das der Fall sein wird, steht aber noch in den Sternen.

Die Freie Universität gibt nur spärliche Informationen über das Verfahren. Bekannt ist nur, dass die Arbeit seit Februar geprüft wird, aber nicht von wem. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat daher am Donnerstag herbe Kritik an dem Verfahren geübt. Es geht dabei vor allem um die Politikprofessorin Tanja Börzel, die die Arbeit von Giffey als Doktormutter betreute.

Franziska Giffey hat schnell eine Entscheidung für sich getroffen

Giffey hat die Doktorarbeit bei ihr im Jahr 2009 eingereicht, den Titel führt sie seit 2010. Laut Internetseite VroniPlag wurden bisher auf „76 von 205 Seiten Plagiatsfundstellen dokumentiert“. Dies entspreche einem Anteil von 37,1 Prozent aller Seiten, heißt es auf der Seite der Aktivisten.

Als die Vorwürfe im Februar bekannt wurden, war davon die Rede, dass „wörtliche und sinngemäße Übernahmen nicht kenntlich gemacht worden sein sollen“. In anderen Fällen habe die Verfasserin zudem Aussagen ganz oder teilweise mit Quellen belegt, „die dem Anschein nach willkürlich gewählt“ seien oder mit denen sich die dazugehörigen Textstelle nicht ausreichend belegen lasse.

Tanja Börzel ist die Vorsitzende des Promotionsausschusses des Otto-Suhr-Institutes (OSI) für Politikwissenschaft an der FU. Mögliche Unregelmäßigkeiten dürften auch ihre Amtsführung in Frage stellen. Das OSI hat offenbar auch bei der Überprüfung des Titels die Federführung. Mit Bestimmtheit sagen kann man das nicht, denn die FU gibt wenig Auskunft darüber, wie das Gremium zusammengesetzt ist.

Es sei mit „fünf Personen aus den Bereichen Hochschullehrende und promovierte akademische Mitarbeitende“ besetzt, hieß es am Freitag auf Nachfrage der Berliner Zeitung. Es handele sich dabei aber nicht um den Promotionsausschuss des OSI. Tanja Börzel und ihr Ehemann Thomas Risse, der ebenfalls am OSI lehrt, gehörten dem Überprüfungs-Gremium nicht an, teilte die FU weiter mit. Mehr will die Hochschule dazu nicht sagen. Die Prüfung werde „voraussichtlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen“.

Dass Giffey sehr viel schneller für sich eine Entscheidung getroffen hat, rechnen ihr viele Parteifreunde hoch an. Die SPD-Abgeordnete aus Steglitz-Zehlendorf, Ina Czyborra, findet es „wahnsinnig bedauerlich“, dass der Politik und vor allem der SPD mit der 41-Jährigen womöglich bald ein großes Talent verloren geht. Czyborra ist Bildungs- und Forschungsexpertin ihrer Fraktion und meint, dass Giffey mit diesem Schritt womöglich auch ein wenig Druck von der FU genommen hat. 

Könnte Franziska Giffey einfach in Brandenburg weiterarbeiten?

Diese sei im Dilemma. „Entweder erklären sie die Arbeit für in Ordnung und setzen sich dem Vorwurf eines Gefälligkeitsgutachtens aus oder sie schaden dem Ruf einer Spitzenpolitikerin“, meinte die SPD-Abgeordnete. Nun träfe ein solches Verdikt wenigstens nicht eine amtierende Parteivorsitzende.

„Sie erspart sich mit ihrem Schritt viele Diskussionen“, meinte ein anderer SPD-Politiker zu Giffeys Entscheidung. „Das könnte eine mögliche Zweitkarriere schon leichter machen“. Berlin wäre nicht Berlin, wenn nicht bereits jetzt kräftig über diese mögliche Zweitkarriere diskutiert würde. Einig sind sich alle, dass auch eine Aberkennung des Titels kein Ende der politischen Laufbahn für Giffey bedeuten muss. „Sie hat ja keinen Fehler im Amt gemacht“, hieß es am Freitag aus dem Abgeordnetenhaus.

Eine schnelle Anschlussverwendung schließen viele Beobachter indes aus. „Eine gewisse Karenzzeit wird sie einhalten müssen“, heißt es auch in der Berliner SPD. Die könnte Giffey aber spätestens zur nächsten Abgeordnetenhauswahl aufmischen, die voraussichtlich im Herbst 2021 stattfindet.

Gut möglich, dass die in Frankfurt (Oder) geborene Giffey aber auch im Nachbarland Brandenburg weiterarbeitet. Der SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke hat sie bereits heftig umworben und als „wichtige Stimme aus dem Osten“ bezeichnet. Aber erst einmal muss er seine eigene Wiederwahl sichern. In der SPD hat es zurzeit eben niemand leicht.