Franzsika Giffey in der Bundesregierung: Ein Kontrapunkt in Zeiten des Populismus

Vom Turm des Neuköllner Rathauses fällt der Blick bis ins Familienministerium in Mitte. Das erzählt Franziska Giffey am Montag bei einem Frühstück des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI). Ein Funfact, der sagen will: Es liegt nicht viel zwischen der alten und der neuen Franziska Giffey, der Bezirksbürgermeisterin und der Bundesfamilienministerin.

Vor etwas über hundert Tagen trat die SPD-Politikerin ihr Amt mit dem Vorsatz an, nichts an Bodenhaftung zu verlieren. Doch wird das reichen, um auch für Bayern und Baden-Württemberg gute Politik zu machen? In Bundesländern statt in Neukölln?

Seit Langem wieder eine Berlinerin im Bund

Als VBKI-Geschäftsführer Udo Marin die Ministerin am Montag ankündigt, nennt er sie „eine aus Berlin, eine von uns“. In der Tat ist das betonenswert, denn mit Franziska Giffey ist seit Jahren wieder einmal ein Berliner Gewächs mit relevanter Regierungsverantwortung ausgestattet. Abgesehen von CDU-Kulturstaatsministerin Monika Grütters galt Berlin in den vergangenen Legislaturperioden kaum als Talentschmiede für den Bund.

Ihre bürgernahe Art, ihre Gabe, schwierige Themen ohne Schnörkel anzusprechen und nicht zuletzt ihre ostdeutsche Biografie verhalfen der 40-Jährigen zu dem atemberaubenden Aufstieg.

Fürs Kiezhopping bekannt

Ihr Erfolgsrezept will Giffey, die in Frankfurt/Oder zur Welt kam, beibehalten. In den ersten hundert Tagen hetzte sie von Termin zu Termin, besuchte im ganzen Land etliche Kitas, Seniorenzentren, Demokratieprojekte für Jugendliche, Pflegezentren, Frauenbündnisse und Firmen mit familienfreundlicher Betriebskultur.

Bereits als Bezirksbürgermeisterin war sie für ihr Kiezhopping bekannt, eilte jeden Tag von Betriebsjubiläen zu Einwohnerversammlungen. „Ich will eben schauen, wie das, was wir machen, auf der Straße ankommt“, sagt Franziska Giffey am Montag.

Ehrlich und Pragmatisch

Sie spricht gezielt von „dem, was wir machen“, so scheint es, nicht von „unserer Politik“ oder gar „unserem Handeln als Gesetzgeber“. Auch als Ministerin schlägt sie diese klaren Töne an, die ihr bereits im Bezirk Beliebtheit einbrachten. Als die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner vor einigen Wochen scharf kritisierte, dass ein Gymnasium in Herne Burkinis an seine Schülerinnen ausgab, damit sie am Schwimmunterricht teilnehmen, kommentierte Giffey unaufgeregt:

„Das wichtigste ist das Wohl der Kinder, und das heißt nun mal, dass alle Schwimmen lernen.“ Der Bildungsauftrag stehe im Vordergrund, es sei wichtig, dass die Sache „nicht hochstilisiert wird zum Untergang des Abendlandes“. Giffey spricht mit ehrlicher und pragmatischer Stimme und setzt damit einen Kontrapunkt in Zeiten des Populismus.

Das „Gute-Kita-Gesetz“

Auch ihr wohl wichtigstes Projekt im neuen Amt benannte Franziska Giffey kurzerhand um. Aus dem „Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz“ wurde unter ihrer Hoheit das „Gute-Kita-Gesetz“. 5,5 Milliarden Euro will der Bund den Ländern in dieser Legislaturperiode zur Verfügung stellen, um die Lage in den Kitas zu verbessern. Das Geld soll in zusätzliches Personal, niedrige Gebühren und die Verbesserung der Gehälter fließen.

Ursprünglich seien einmal neun Milliarden eingeplant gewesen, monieren Kritiker. So oder so wäre es falsch, Franziska Giffey nur an der Wirkung dieses Gesetzes zu messen – denn das stieß bereits ihre Vorgängerin Katarina Barley (SPD) an. 

Erziehergehalt, Lehrerniveau und Frauenquote

Dennoch dürfte es spannend werden, wie Giffey in den Verhandlungen mit den Ländern und der CDU auftritt. Ob es ihr gelingt, das Erziehergehalt auf Grundschullehrerniveau zu erhöhen, wie sie es vorgeschlagen hat – und wie sie das bezahlen will. Auch wird ihre Bilanz davon abhängen, ob sie es schafft, mehr Frauen in Firmenvorständen zu etablieren.

Aktuell liegt die Quote bei gerade einmal sechs Prozent. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie soll dabei noch größer geschrieben werden. Für das kommende Jahr kündigt Franziska Giffey etwa an, das Programm zur Förderung von Betriebskitas neu aufzulegen. „Wir können den Wohlstand nur wahren und mehren, wenn Familie und Beruf Hand in Hand gehen“, sagt die Ministerin am Montag. 

Ein netter Plausch mit Journalisten

Als das Unternehmerfrühstück vorbei ist, steht Franziska Giffey am Fahrstuhl im Ludwig-Erhard-Haus und spricht mit Journalisten über ihren alten Bezirk. Sie erzählt, wer gestorben ist und wann sie zuletzt am Hermannplatz war, kneift eine Reporterin auch schon mal in den Arm und lacht.

Sie scheint in ihrem Element, fühlt sich sichtlich wohl beim netten Plausch. „Die waren alle so ernst da drinnen“, sagt sie.
Auf ernste, harte Stunden wird sie sich aber gefasst machen müssen. Denn sie wird nicht überall als „eine von uns“ empfangen werden.