Freiwillige getäuscht?: Gesichtserkennung am Südkreuz wird trotz Kritik fortgesetzt
Trotz der Kritik von Bürgerrechtsaktivisten wollen Bundesinnenministerium und Bundespolizei das Projekt zur Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz weiterführen. „Der Test wird fortgesetzt“, teilte ein Sprecher der Bundespolizei der Berliner Zeitung mit. Er wies die Darstellung des Vereins Digitalcourage zurück, wonach die bei dem Versuch eingesetzten Transponder sehr viel mehr Daten erfassen, als den Probanden mitgeteilt wurde.
Wie am Dienstag berichtet, hatte Digitalcourage einen Transponder untersucht und festgestellt, dass das Gerät die Temperatur, die Beschleunigung und die Neigung registriert, der es ausgesetzt ist. Daraus ließe sich nach Einschätzung von Digitalcourage ein Bewegungsprofil erstellen – über die Möglichkeit waren die etwa 300 Freiwilligen, die an dem Piloprojekt teilnehmen, aber nicht aufgeklärt worden.
Batterie raus, Sensor an
Der Polizeisprecher bestätigte, dass die Transponder der Marke blukii die Temperatur registrieren. Allerdings seien die Empfangsgeräte am Bahnhof so konfiguriert, dass sie die Daten nicht aufnehmen. Die Beschleunigungsssensoren in den kleinen Geräten, die alle Versuchsteilnehmer in der Tasche tragen sollen, seien deaktiviert worden.
Digitalcourage wies jedoch anhand entsprechender Aufzeichnungen nach, dass die Sensoren aktiv sind. „Die Daten lassen sich mithilfe einer frei verfügbaren App auslesen“, sagte die Sprecherin des Vereins, Kerstin Demuth. Eine mögliche Erklärung sei, dass die Aktivisten von Digitalcourage zur Untersuchung des Geräts die Batterie entfernt hatten. „Es ist denkbar, dass die Einstellungen des Transponders dadurch zurückgesetzt wurden. In diesem Fall seien aber die Vorkehrungen zum Datenschutz mangelhaft.“ Sie bekräftigte die Forderung, den Versuch abzubrechen.
Am Südkreuz testen die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, das Innenministerium und die Bahn gemeinsam sogenannte intelligente Videoüberwachung. Dabei werden Systeme zur Gesichtserkennung erprobt – eine spezielle Software durchsucht die Bilder der Überwachungskameras und soll darauf die freiwilligen Testpersonen identifizieren. Mittels der Transponder wird dabei überprüft, wie oft sie tatsächlich an den Kameras vorbeigelaufen sind. Anhand dieses Referenzwerts lässt sich die Erfolgsquote ermitteln. Etwa 300 Probanden nehmen an dem Versuch teil.
Einer von ihnen ist der Netzaktivist padeluun – er trägt ausschließlich diesen Künstlernamen –, der zu den Gründern von Digitalcourage gehört. Der Verein wurde 1987 gegründet und ist unter anderem durch den jährlich verliehenen Big Brother Award bekannt, mit dem er auf ausufernde Überwachungsmaßnahmen aufmerksam macht.
Andere Technik geplant?
Aus der Beschreibung des Projekts Gesichtserkennung auf der Homepage der Bundespolizei lässt sich schließen, dass ursprünglich nicht die blukii-Transponder zum Einsatz kommen sollten, sondern sehr viel einfachere RFID-Chips, die keine anderen Daten erfassen können. „Der Transponder wird ungefähr die Größe einer Kreditkarte haben“, steht dort. RFID-Chips müssen allerdings sehr dicht an den entsprechenden Sensoren vorbeigeführt werden.
Auf Anfrage teilte das Innenministerium mit: „Das Referenzsystem wurde ohne vorherige Festlegung auf eine bestimmte Technologie beschafft.“ Die Teilnehmer seien ausreichend informiert worden.