Klimakatastrophe - oder Früher war’s doch auch heiß?

Die einen beschwören Katastrophen, sobald es warm wird. Die anderen behaupten, das hier sei ein Sommer wie eh und je. Kann man Hitze noch gut finden?

Endlich Sommer? Nach dem Streit über die Hitze ist vor dem nächsten Streit über Corona.
Endlich Sommer? Nach dem Streit über die Hitze ist vor dem nächsten Streit über Corona.ZB

Am Sonntag saß ich mit meiner Mutter und meinem Bruder im Vorgarten eines Restaurants in einer ruhigen Berliner Gegend. Der Vorgarten war schattig, aber man hätte es auch in der Sonne ausgehalten, in Berlin waren 24 Grad. Wir waren uns schnell einig, dass das unser Lieblingswetter in der Stadt ist.

Zwei Tage später begann die Hitzewelle. Mein Bruder fragte im Familienchat: Temperaturen noch erträglich? Ich schickte ein Foto aus meinem klimatisierten Büro. Meine Mutter schrieb, es seien eben ein paar heiße Sommertage, „wie jedes Jahr“, wir würden uns bald danach zurücksehnen.

Ich mochte Hitze viel mehr, als sie noch nicht politisch war, dachte ich. Kein Streitthema wie Corona, Gendersprache und Waffenlieferungen. Die einen fangen an, sofort Vorträge über die Klimakatastrophe zu halten, sobald im Sommer mehr als 30 Grad werden. Die anderen behaupten, dass es überhaupt keine Klimakatastrophe gibt, nicht einmal einen Klimawandel. Früher war es doch auch warm. Und wenn nicht, sind wir der Sonne hinterhergefahren! Geflogen, wahrscheinlich. Teil des Problems, oder?

Hitzewelle in Europa: Wie in einem Katastrophenfilm

Schon ist die Stimmung hinüber. Ich bilde mir ein, dass ich Hitze auch viel schlechter vertrage, seit sie so politisch ist. Rein körperlich. In einer Nachrichtensendung begann ein Beitrag über die Hitzewelle vor ein paar Tagen mit den Worten: Die Bilder erinnern an einen Katastrophenfilm. Falls ich mich richtig erinnere. Ich fühlte mich matt.

Wenn es früher in Berlin heiß wurde, was alle paar Jahre vorkam (nein, wirklich nicht jeden Sommer), freute ich mich. Endlich Nächte, in denen man keinen Pulli brauchte. Endlich Wassermelone zum Abendbrot essen, die Badewanne mit kaltem Wasser füllen, Süden spielen.

Das mit der Badewanne machte ich einmal. Weil es mir sonst nicht warm genug war. Im Winter reiste ich nach Mexiko oder Thailand, wenn dort die Luft mittags flirrte, legte ich mich im Schatten in eine Hängematte, in der Hitze verlangsamten sich meine Gedanken, jedenfalls bildete ich mir das ein. Ich mochte das. Keine Ahnung, ob man das überhaupt noch erzählen kann, es klingt vom Flug bis zum leichten Hitzekoma unverantwortlich und vollkommen aus der Zeit gefallen.

Am heißesten Tag des Jahres ging der Kühlschrank kaputt

Vor ein paar Jahren fuhr ich sogar im Sommer in die Hitze, aber das war ein Versehen. Eine Freundin wollte unbedingt im August nach Georgien, ich dachte an den Kaukasus, Bergluft, wenn es etwas wärmer werden sollte, würde ich das schon aushalten. Wir blieben zwei Tage in den Bergen. Meine Freundin beschloss, dass wir auch Armenien besuchen könnten, wenn wir schon mal da waren. Wir fuhren mit dem Mietwagen bis in die Hauptstadt Jerewan. Als wir dort ankamen, herrschten 44 Grad.

Die Hitze stand zwischen den vielen Neubauten und betonierten Flächen in der Stadt. Wir trauten dem Wasser nicht, dass die Leute aus großen, öffentlichen Trinkfontänen in sich aufsaugten. Das Hotelzimmer war auf 23 Grad heruntergekühlt, wir legten uns in den Lärm der Klimaanlage und verließen das Zimmer erst nach Sonnenuntergang.

Auch in der Nacht war es noch sehr warm, aber die Straßen waren voller Menschen, die gekleidet waren wie für einen Feiertag, obwohl kein Feiertag war. Als wir keinen Tisch in einem Restaurant fanden, lud uns eine Familie an ihren ein.

Inzwischen bekomme ich schon Kopfschmerzen, wenn eine Hitzewelle angekündigt wird. Ich ziehe die Vorhänge in meiner Wohnung zu, öffne dahinter die Fenster, der Durchzug, und warte im Dunklen darauf, dass es vorbeigeht.

Am heißesten Tag des Jahres ging in der Wohnung meiner Mutter der Kühlschrank kaputt. Für ihn war offenbar auch nicht alles wie immer.