Galeria: Handelsexperte erwartet weitere Schließungen in spätestens fünf Jahren

Der Warenhaus-Konzern setzt auf mehr Eigenständigkeit der Filialen. Gläubiger müssen auf Milliarden verzichten. Schon wieder.

Karstadt in der Müllerstraße in Wedding: Einst eine Institution, bald Geschichte.
Karstadt in der Müllerstraße in Wedding: Einst eine Institution, bald Geschichte.www.imago-images.de

Deutschlands letzter großer Warenhaus-Konzern wird noch einmal etwas kleiner, doch er wird überleben, wieder einmal. Das ist jedenfalls der Plan. „Galeria stellt die Weichen für eine sichere Zukunft“, hieß es am Montag in der Essener Unternehmenszentrale, als der Sanierungsplan vorgestellt wurde. Tatsächlich ist dieser aber nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Vorschlag. Letztlich muss die Gläubigerversammlung über den Sanierungsplan abstimmen.

Die Einschnitte sind in jedem Fall gravierend. Denn was Galeria Karstadt Kaufhof „Neuausrichtung des Filialnetzes“ nennt, bedeutet 77 statt 129 Warenhäuser und 11.000 statt 17.400 Beschäftigte. Das Warenhaus-Unternehmen brauche insgesamt eine höhere Flächenproduktivität, sagte der Galeria-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz und gibt sich sicher: „Die verbleibenden Filialen haben eine tragfähige wirtschaftliche Perspektive.“ In Berlin werden zwei Filialen geschlossen, das Kaufhaus in der Müllerstraße in Wedding und in der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg. Heißt aber auch, dass Berlin noch acht Standorte erhalten bleiben sollen.

Dafür soll das Sortiment stärker auf die lokalen und regionalen Bedürfnisse ausgerichtet werden. Zudem sollen die „Mobile-, Online- und Filialkaufmöglichkeiten“ kundenfreundlich miteinander verzahnt werden. Galeria will sich darüber hinaus vor allem in den Segmenten Bekleidung, Beauty und Home eindeutiger positionieren.

Attraktive Gastronomie-Angebote und sinnvolle Ergänzungen wie Versicherungen, Schneidereien, Reinigungen oder Bürger-Services sollen die Galeria-Filialen zum beliebten Treffpunkt in der Innenstadt machen, wobei für jede der verbleibenden 77 Kaufhäuser die umfassende Modernisierung in den kommenden drei Jahren vorgesehen ist.

Galeria-Chef Miguel Müllenbach will nach eigenem Bekunden künftig vor allem die lokalen Strukturen stärken und den Filialen mehr Eigenständigkeit geben. Darüber war bis kurz vor Fertigstellung des Sanierungsplans heftig gestritten worden. Gegner befürchten Machtverlust für die Essener Konzernzentrale. Nun soll es aber geschehen. Die Filialleitungen sollen laut Müllenbach „stärker über Sortimente, Schwerpunkte und Abläufe vor Ort entscheiden können“. Damit, so der Galeria-Chef, lege man heute die Basis für eine positive wirtschaftliche Perspektive von Galeria. Und: „Das Warenhaus in Deutschland hat damit eine Zukunft.“

Handelsexperte Thomas Roeb hat Zweifel am Sanierungskonzept

Thomas Roeb, Handelsexperte und Unternehmensberater, hat da jedoch seine Zweifel. Mehr Eigenverantwortung für die einzelnen Kaufhäuser und die enge Verzahnung des On- und Offline-Geschäft stehe bei Galeria Karstadt Kaufhof seit Jahren auf der Agenda und funktioniere bis heute nicht, sagt er und fragt, warum es diesmal klappen soll. „Ich glaube nicht, dass das Management echte lokale Entscheidungsgewalt wirklich will, geschweige denn in der jetzt erforderlichen Radikalität umsetzen kann“, so der Handelsexperte. Darüber hinaus sei offen, wie das Unternehmen sicherstellen will, dass Lieferanten, die während der vergangenen Insolvenzen zum Teil viel Geld verloren haben, überhaupt noch liefern wollen. Unter dem Strich ist Roeb wenig zuversichtlich. „Ich schätze eher, dass in spätestens fünf Jahren weitere Filialen geschlossen werden müssen.“

Darüber hinaus fragt er sich, wie das Unternehmen sicherstellen will, dass Lieferanten, die während der vergangenen Insolvenzen zum Teil viele Geld verloren haben, überhaupt noch liefern wollen. Unter dem Strich ist Roeb wenig zuversichtlich. „Ich schätze eher, dass in spätestens fünf Jahren weitere Filialen geschlossen werden müssen.“

Tatsächlich sieht man im Unternehmen selbst die Ursache für die jüngste Pleite in den äußeren Bedingungen. Galeria sei „vor dem Hintergrund der schweren Auswirkungen der Corona-Krise einerseits und des Ukraine-Krieges mit hoher Inflation und stark nachlassender Konsumfreudigkeit in Deutschland in ein Schutzschirmverfahren gegangen“, heißt es.

Zugleich müssen aber gravierende Managementfehler unterstellt werden. Der Anteil des Online-Geschäfts am Gesamtumsatz etwa liegt bis heute im einstelligen Prozentbereich. Vor allem aber wurden dem Kaufhaus-Konzern erst vor nicht einmal drei Jahren Schulden im Umfang von insgesamt zwei Milliarden Euro erlassen. Das Unternehmen kassierte Staatshilfen zudem über knapp 700 Millionen Euro. Nun verlangt die Konzernführung von Vermietern, Lieferanten und anderen Gläubigern erneut, auf einen Großteil der Forderungen zu verzichten, um den Neuanfang zu ermöglichen. Laut Wirtschaftswoche sollen die Gläubiger erneut auf bis zu 2,4 Milliarden Euro verzichten.

Darüber wird die Gläubigerversammlung entscheiden, zu dem für den übernächsten Montag in die Messe Essen geladen wurde. Stimmen die Gläubiger zu, werden die betroffenen Filialen in zwei Wellen zum 30. Juni dieses Jahres und zum 31. Januar kommenden Jahres geschlossen. Auch in der Essener Zentrale sowie in IT-Bereichen sollen 300 Stellen gestrichen werden.