Gasag will Preise um 20 Prozent senken, bleibt aber teuer. War das alles?
Neukunden zahlen hierzulande für Gas im Schnitt nur noch knapp zwölf Cent je Kilowattstunde, während die Gasag 20 Cent verlangt. Ein Wechsel könnte helfen.

Als die Gasag zu Monatsbeginn eine Preissenkung um 20 Prozent für Mai ankündigte, war das eine gute Nachricht. Schließlich hatte der Berliner Gas-Grundversorger vier Wochen zuvor die Preise für etwa eine halbe Million Gaskunden in der Stadt überdurchschnittlich angehoben, sie nahezu verdoppelt. Fortan zahlten sie etwa 20 Cent je Kilowattstunde Gas. Wie viel bei der Gasag ab Mai genau gezahlt werden muss, ist noch unklar. Das werde noch berechnet, heißt es dort. Mittlerweile fragt man sich allerdings: Wie, nur 20 Prozent weniger? Mehr nicht?
Die Gasag hatte die Preissenkung mit sinkenden Beschaffungskosten begründet, und tatsächlich kostet Gas aktuell so wenig wie lange nicht. Am Freitag wurde eine Megawattstunde auf dem Spotmarkt für etwa 52 Euro gehandelt. Ende des vorigen Jahres lag der Preis für europäisches Gas noch bei 160 Euro je Megawattstunde, 345 Euro mussten im vergangenen Sommer gezahlt werden.
Der wichtigste Grund für die gefallenen Preise ist der geringe Verbrauch wegen des milden Winters. Laut Bundesnetzagentur lag der Gasverbrauch in der zweiten Februarwoche um 17 Prozent unter dem durchschnittlichen Verbrauch der Jahre 2018 bis 2021. In der Folge sind auch die Gasspeicher in Deutschland derzeit so voll wie nie zuvor um diese Zeit. Am Freitag waren sie zu 71,86 Prozent gefüllt. Und die Preise fallen weiter. Allein in den knapp drei Wochen, die seit der Gasag-Ankündigung vergangen sind, ist der Gaspreis im Großhandel um weitere zehn Prozent gefallen. Sollte die Gasag da nicht nachlegen?
Dort stellt man erst einmal klar, dass für einen Grundversorger die langfristige Verfügbarkeit von Gas im Vordergrund stehe. Daher seien auch für die Gasag nicht die Spotmarktpreise relevant, sondern das, was für Lieferungen in bis zu 36 Monaten gezahlt werden muss. Ob es dabei inzwischen weiteren Spielraum gibt, dazu will sich Firmensprecherin Ursula Luchner nicht festlegen. „Mitte März werden wir mitteilen, was genau die Kilowattstunde ab Mai in der Grundversorgung kosten wird“, sagt sie. Rund 20 Prozent weniger seien angekündigt worden. Tatsächlich sei das aber nicht endgültig: „Wahrscheinlich wird es mehr werden“, sagt die Gasag-Sprecherin.
Verivox: „Seit Jahresbeginn nimmt die Wechselaktivität spürbar zu“
Allerdings muss man nicht bis Mai warten, um seine Gasrechnung zu reduzieren. Denn wer die Energie in einem Grundversorgungstarif bezieht, kann den Vertrag jederzeit mit einer Frist von nur zwei Wochen kündigen. „Seit Jahresbeginn nimmt die Wechselaktivität spürbar zu“, sagt Lundquist Neubauer, Gaspreis-Experte beim Energie-Vergleichsportal Verivox, und liefert den Grund gleich mit. Aktuell würde bei Neuverträgen im Schnitt ein Gaspreis von 11,8 Cent pro Kilowattstunde angeboten. „Der Preis ist in fünf Monaten um 70 Prozent gefallen“, sagt Neubauer. Am 1. September 2022 kostete die Kilowattstunde noch 40,4 Cent.
Auf dem Vergleichsportal sind tatsächlich mit ein paar Klicks gut zwei Dutzend Angebote zu finden, die günstiger sind als die Offerte der Gasag. Dort zahlt man im Grundversorgertarif bei einem Verbrauch von bis zu 15.000 Kilowattstunden im Jahr aktuell einen Grundpreis von monatlich 8,56 Euro und 20,12 Cent pro Kilowattstunde. Zieht man davon die angekündigte Preissenkung um 20 Prozent ab, ist man bei einem Preis von etwa 16 Cent pro Kilowattstunde.
Zwar bietet auch die Gasag einen Laufzeittarif an, doch werden dort ebenfalls 18 Cent je Kilowattstunde verlangt. Bei dem zu den Duisburger Stadtwerken gehörenden Versorger Rhein-Power gibt es die Kilowattstunde Gas dagegen für 11,40 Cent. Damit liegt man sogar unter der Gaspreisbremse, nach der für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs zwölf Cent je Kilowattstunde gezahlt werden müssen und nur für das restliche Fünftel der Vertragspreis erhoben wird.
Vor einem Wechsel rät Verivox-Mann Neubauer zu einem genauen Kostenvergleich, der auch Bonuszahlungen berücksichtigt. Grundsätzlich empfiehlt er Verträge mit Laufzeiten von zwölf Monaten, für die zugleich auch der Preis garantiert wird. Damit sei man auch im nächsten Winter sicher, während die Gaspreisbremse vorerst nur bis Jahresende gilt. Wer noch flexibler sein will und auf weiter fallende Preise spekuliert, könne auch Verträge mit kürzeren Laufzeiten abschließen. Dann, so Neubauer, sollte man die Preisentwicklung ständig genau im Blick behalten.
Leonora Holling, Chefin des Bundes der Energieverbraucher, ist angesichts der jüngsten Marktentwicklung indes alarmiert und rät dringend zur Vorsicht. „Es herrscht eine Art Goldgräberstimmung“, sagt Holling im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Plötzlich seien viele Anbieter auf dem Markt, die völlig unbekannt seien. „Ich bin schon lange im Geschäft, aber etliche Namen habe ich noch nie gehört“, sagt sie. Da sei die Gefahr groß, an den Falschen zu geraten. Sie empfiehlt gründliche Recherche zu den Unternehmen und nicht zu viel auf Online-Kundenbewertungen zu geben. „Die gibt es zu kaufen“, so Holling. Grundsätzlich rät sie auch von Verträgen ab, die Vorauszahlungen verlangen oder günstige Preise nur für festgelegte Energiemengen beschränken.
Auf dem Strommarkt ist das Bild ganz ähnlich. Für Neukunden haben sich die Angebotspreise seit Ende September nahezu halbiert. Damals kostete eine Kilowattstunde Strom 70 Cent, heute sind es laut Verivox 36,6 Cent.
Als Berliner Strom-Grundversorger hatte Vattenfall die Preise in der Grundversorgung am 1. Februar um 25 Prozent auf 41,41 Cent je Kilowattstunde angehoben. Wie auf Nachfrage zu erfahren war, sei dort zum jetzigen Zeitpunkt aber keine Preissenkung vorgesehen. Zugleich verweist man auf günstige Neukundenverträge. Bereits zum 1. Januar hatten die landeseigenen Berliner Stadtwerke den Strompreis auf über 50 Cent angehoben, was für viele Kunden eine Verdoppelung bedeutete. Aktuell werden von Neukunden wenigstens 58,2 Cent verlangt. Das 80-Prozent-Limit der Strompreisbremse liegt bei 40 Cent.