Gastkommentar: Das Schild Mohrenstraße in Berlin muss weg
Berlin - Die Diskussion um historisch belastete Berliner Straßennamen ist jüngst am Beispiel einiger Straßennamen im Afrikanischen Viertel im Wedding wieder aufgeflammt, wo es zu Umbenennungen kommen wird. Und in Mitte ist der Name „Mohrenstraße“ immer wieder Anlass zu Diskussionen.
Als Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, das sich in der Mohrenstraße 58 befindet, fragen wir uns, wie es kommt, dass es immer noch – teils glühende – Verfechter des Straßennamens „Mohrenstraße“ gibt.
Schauen wir, um die Diskussion zu versachlichen, zunächst auf die Etymologie. Das Wort „Mohr“ (altdeutsch: mor) stammt sowohl vom griechischen moros („töricht“, „einfältig“, „gottlos“) als auch vom lateinischen maurus („schwarz“, „dunkel“) ab. Eine frühe, prägende Verwendung findet sich in der Luther-Bibel.
Die Lutherbibel verwendet "Mohr" weiterhin
Im Jeremia-Kapitel wird im Hebräischen Original auf die Kuschiten als schwarze Menschen Bezug genommen, die ihre Hautfarbe nicht verändern könnten. In vielen späteren europäischen Bibelfassungen, wie bereits der Septuaginta und der Vulgata, wird hingegen auf die „Äthiopier“ verwiesen.
In der Lutherbibel heißt es dann: „Kan auch ein Mohr seine haut wandeln?“ Bis heute, in der Fassung aus dem Jahr 2017 erneut bestätigt, verwendet die Lutherbibel an dieser Stelle das Wort „Mohr“.
Der Begriff „Mohr“ entspricht etymologisch zwar locker dem griechischen Aithiopia hat aber allenfalls unspezifische geografische Konnotationen. Der Gebrauch des Begriffs durch Martin Luther ist klar negativ belegt: Im Kontext des zitierten Bibelverses geht es darum, dass die Farbe schwarz die nicht änderbar sündhafte Seele anzeigt.
Die rassistische Bedeutung muss miteinbezogen werden
Diese negative Prägung des Wortes „Mohr“ lässt sich auch literarisch durch die Jahrhunderte verfolgen. Bei Kleist heißt es etwa: „Du hast ein menschliches Gesicht, zu dir,/ Wie zu dem Weißen unter Mohren, wende/ Ich mich“ – die Mohren sind die, die sich von Menschen unterscheiden.
Die so Bezeichneten haben diese Bezeichnung nicht selbst gewählt, sie wurde ihnen mitsamt der rassistisch-abwertenden Bedeutung auferlegt. Das hat sich bis zum heutigen Tag nicht geändert.
Die Gegner einer Umbenennung der Mohrenstraße verweisen hingegen auf historische Begebenheiten, die sich scheinbar im Straßennamen spiegeln, beispielsweise auf den angeblichen Besuch einer Delegation aus Afrika, die um die Jahrhundertwende vom 17. zum 18. Jahrhundert in einem Gasthaus im Bereich der damals wohl noch nicht existierenden Straße gewohnt haben soll.
Sklavenhandel schwingt im Wort "Mohr" mit
Daher sei die Bezeichnung der Straße neutral oder sogar positiv-wertschätzend. Argumentiert wird auch mit der nicht belegbaren Behauptung, dass „Mohr“ eine neutrale oder positive Bezeichnung gewesen sein soll, mit der seinerzeit – Anfang des 18. Jahrhunderts – angeblich niemand herabgewürdigt wurde.
Der Weg von einer derart geschichtsvergessenen, mit Original-Quellen bislang nicht belegten Argumentation zur jüngst geäußerten Frage vom rechten Rand, ob wir denn nicht endlich wieder „Mohrenköpfe“ essen dürften, ist nicht sehr weit.
Die Bedeutung des Wortes ist in der Deutschen Geschichte ohne Zweifel – und vielfach historisch belegt – fest mit dem System des Menschen- und Sklavenhandels verbunden.
An herrschaftlichen Höfen wurde der Begriff „Mohr“ für Menschen genutzt, die ver- und gekauft wurden: So bestand die Prinzessin am Ostfriesischen Hof zu Aurich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf ihren „Mohren“ – Fürst Georg Christians versuchte vergeblich „einen jungen Mohren und eine junge Mohrin“ in Amsterdam für sie zu kaufen.
Bisher scheiterten die Anläufe einer Umbenennung
Und Friedrich Wilhelm I. schrieb 1728 an seinen Gesandten, er solle „nach anliegendem Maßband einige junge Mohren kaufen […]. Sie müssen so jung sein, dass sie noch wachsen werden. Der Resident muss darauf bedacht sein, die Jungens wohlfeil zu bekommen.“
Bislang sind Bemühungen um eine Umbenennung der Mohrenstraße an meist nichtwissenschaftlichen Argumenten, an politischen Vorbehalten und Ängsten und an der Sorge über entstehende Kosten für die in der Straße ansässigen Einrichtungen, unter anderem das Bundesjustizministerium, gescheitert.
In Zeitungsartikeln wird entrüstet von einer angeblich marginalen Gruppe geschrieben, die sich für die Umbenennung ausspreche – mit Blick auf das bürgerschaftliche Engagement dieser Menschen eine fragwürdige Umgangsweise. Auch die viel beachtete Kolonialismusausstellung im Deutschen Historischen Museum spricht sich unter Verweis auf die rassistische Bedeutung des Wortes „Mohr“ für eine Umbenennung aus.
Diese Straßenschilder gehören ins Museum
Der Straßenname beinhaltet eine diskriminierende Bezeichnung, sie sollte geändert werden. Dabei wird eine Umbenennung des Straßennamens die Geschichte keineswegs tilgen.
Ohne großen Aufwand lassen sich direkt in der Straße und in der nach ihr benannten U-Bahn-Station historisch erläuternde Tafeln anbringen. Die Straßenschilder selbst könnten im Deutschen Historischen Museum aufbewahrt werden. Dort gehören sie hin: ins Archiv.
Die Autoren sind Mitarbeiter des in der Mohrenstraße in Berlin-Mitte ansässigen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Sie bringen hier ihre persönliche Meinung zum Ausdruck.