Flüchtlingsorganisationen fordern Schließung der Notunterkunft am Flughafen Tegel
Zwei Berliner Flüchtlingsorganisationen beklagen die Bedingungen im Aufnahmezentrum für geflüchtete Ukrainer. Ein Sprecher des LAF sagt: Die Behörde gibt ihr Bestes.

Nach einem Jahr, in dem sich etwa 360.000 Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine über Berlin in Sicherheit gebracht haben, bleibt die erste Anlaufstelle für Neuankömmlinge dieselbe: das Ankunftszentrum Ukraine im ehemaligen Flughafen Tegel. Eröffnet wurde es am 20. März 2022, wenige Wochen nach der russischen Invasion in der Ukraine.
Dort sollten Geflüchtete ohne Anspruch auf einen Aufenthalt in Berlin registriert und maximal zwei bis drei Nächte untergebracht werden. Dann sollten sie in andere Bundesländer umverteilt werden. Doch ein Jahr später ist die Realität im Zentrum eine ganz andere – und die zuständigen Behörden stoßen auf heftige Kritik.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung fordern der Flüchtlingsrat Berlin und das Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNBSGM) einen Plan „zur schnellen Schließung der Notunterkunft“. Das Zentrum sei für die Unterbringung schutzbedürftiger Menschen schlicht nicht geeignet; immer mehr Menschen müssen bis zu drei oder vier Monate dort bleiben, weil sie keine andere Unterkunft finden. Dazu beschweren sich die beiden Organisationen in ihrem Statement über die fehlende Privatsphäre für die dort untergebrachten Menschen und andere „schwerwiegende Defizite“, von denen ihnen Geflüchtete erzählt haben sollen.
„Tegel ist ein Nichtort, wo abgeschottet hinter Stacheldraht ein riesiger Lagerkomplex entsteht, in dem Geflüchtete auf unbestimmte Zeit unter menschenunwürdigen Umständen ohne jede Chance zu Integration und Teilhabe untergebracht werden“, sagt Martina Mauer, Sprecherin des Flüchtlingsrats Berlin, in der Mitteilung.
Nach Rechnungen des Flüchtlingsrats wohnen die im Zentrum untergebrachten Menschen auf lediglich 2,6 Quadratmetern pro Person. Anders als vom Senat im April 2022 beschlossen, gebe es auch keine „passgenauen Hilfsangebote“ für Geflüchtete mit Behinderungen, so Nicolay Büttner vom Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen. Zur Lösung des Problems erwartet er vom Senat „die Nutzung und gegebenenfalls Beschlagnahme leer stehender Wohnungen privater Wohnungsgesellschaften, Businessappartements und Ferienwohnungen“. Auch leer stehende Wohnungen städtischer Wohnungsgesellschaften müssten zur Verfügung gestellt werden.
In ganz Berlin sind nur noch 300 Unterbringungsplätze für Geflüchtete frei
Es sind Forderungen, auf die Sascha Langenbach, Sprecher des für das Zentrum zuständigen Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), mit Unverständnis und Verzweiflung reagiert. Im vergangenen Jahr, seit der russischen Invasion in der Ukraine, habe das LAF seine Kapazität von 21.000 auf 34.500 Unterbringungsplätze erhöht; eine so große und schnelle Erhöhung könne nicht ohne Probleme umgesetzt werden. Dass die Situation für die Geflüchteten in Tegel alles andere als perfekt ist, sei ihm und seinen Kollegen ganz klar. „Es ist sehr bedauerlich, dass wir aktuell den Menschen keine besseren Unterkünfte anbieten können“, so Langenbach.

Die aktuelle Lage in Berlin und auch in anderen Bundesländern hinsichtlich der Unterbringung von Geflüchteten bleibt enorm schwierig. Aktuell bietet das Zentrum im Terminal C des ehemaligen Flughafens Platz für 1000 Menschen; in die dazu errichteten Leichtbauhallen passen fast 4000 Menschen – und das LAF rechnet damit, dass die Unterbringungskapazitäten des Zentrums in den nächsten Wochen erschöpft sein werden. Unter den dort wohnhaften Menschen sind viele Personen, die etwa gesundheitliche Probleme oder Pflegebedarf haben, was ganz andere Herausforderungen mit sich bringe, so Sascha Langenbach.
Dazu rechnet das LAF noch mit mit der Ankunft von 10.000 bis 14.000 Personen in diesem Jahr – nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus Krisengebieten wie der syrisch-türkischen Erdbebenregion. Derzeit bleiben von den insgesamt etwa 34.500 Unterbringungsplätzen des LAF nur noch 300 frei. Jetzt über einen Plan für die „schnelle Schließung“ des Aufnahmezentrums in Tegel zu reden, sei also „unrealistisch und naiv“, sagt Sascha Langenbach.
Durch unterschiedliche Bauprogramme hat das LAF in den vergangenen sechs Jahren über 9000 neue Unterbringungsplätze geschaffen, eine Reihe weiterer Wohnplätze soll noch in diesem Jahr fertig werden. Aber schon das war ein „sehr, sehr harter Kampf“. Es bleibt also nach wie vor bei derselben Berliner Problematik: ein Mangel an Wohnraum, der trotz des wachsenden Bedarfs zu langsam behoben wird.