Gerichtsurteil gegen Raser aus Berlin-Kreuzberg: Versuchter Mord - 13 Jahre Haft

Das letzte Wort im Gerichtssaal hat an diesem Donnerstagvormittag Mikail Akil. „Danke für die Gerechtigkeit“, ruft er von seinem Platz von den Zuschauerbänken den Richtern nach der Urteilsverkündung zu. Akil hat dabei Tränen in den Augen. Er ist der Onkel der schwerverletzten Sultan Akil, die vor einem Jahr zusammen mit ihrer fünfjährigen Tochter Melek von einem betrunkenen Raser in Kreuzberg lebensgefährlich verletzt wurden. Mutter und Tochter waren auf dem Weg zur Kita.

Kurz zuvor hatte die Schwurgerichtskammer den Raser – den angeklagten Djordje S. – unter anderem wegen versuchten Mordes in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Damit gingen die Richter noch über das vom Staatsanwalt geforderte Strafmaß von elfeinhalb Jahren hinaus. Sie erkannten allerdings auch – wegen der Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit – auf eine verminderten Schuldfähigkeit. Deswegen hieß das Urteil nicht lebenslange Haft. Zudem verhängten die Richter eine Fahrerlaubnissperre von fünf Jahren.

„Es ist ein Wunder, dass Melek und Sultan Akil noch leben. Das aber ist nicht ihr Verdienst“, sagte Ralf Ehestädt, der Vorsitzende Richter, in der Urteilsbegründung. Er nannte die Tat des 34-Jährigen eine Horrorfahrt.

So kam es zu dem folgenschweren Unfall in Kreuzberg

Djordje S. war am Morgen des 21. September vorigen Jahres aus einer Kneipe gekommen und hatte sich an das Steuer eines BMW gesetzt, obwohl er betrunken und nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war. Er wurde dabei von Polizisten gesehen. Als die Beamten den Serben auf der Oranienstraße kontrollieren wollten, gab der Mann einfach Gas, fuhr einem Polizisten über den Fuß und rammte die Tür des Streifenwagens. Am Görlitzer Bahnhof raste er über eine Kreuzung, obwohl die Ampel laut Ehestädt seit 40 Sekunden Rot zeigte. In der Tempo-30er-Zone erfasste der BMW mit wahrscheinlich 75 bis 90 Kilometer pro Stunde ungebremst Mutter mit Kind, die bei grünem Ampellicht die Straße überqueren wollten. Sie wurden über die Motorhaube geschleudert. Djordje S. fuhr einfach weiter. „Das Kind war quasi schon tot. Es hatte keine Vitalfunktionen mehr“, so Ehestädt. Eine Krankenschwester, die den Aufprall gesehen hatte, konnte Melek reanimieren.

Mordmerkmal: Verdeckungstat

Ehestädt nannte das Mordmerkmal der Verdeckungstat. Djordje S. habe nicht von der Polizei gefasst werden wollen. Der Intensivtäter, der bereits sieben Jahre im Gefängnis gesessen hatte und mit unter 37 Alias-Personalien registriert ist, war bereits zweimal aus Deutschland abgeschoben worden. Er hielt sich somit illegal in Deutschland auf. Djordje S. war zudem betrunken unterwegs und im Auto lagen gestohlene Bohrmaschinen.

Ehestädt sagte auch, dass der Angeklagte nicht ansatzweise auf einen guten Ausgang habe hoffen können, als er über die Kreuzung raste. Djordje S. habe sich mit den tödlichen Folgen seines Tuns abgefunden und dabei auch zahlreiche andere Menschen gefährdet. „Es war Berufsverkehr, Eltern waren mit ihren Kindern auf dem Weg zur Schule. Da war Hochbetrieb an der Kreuzung.“

Mutter und Tochter durch Aufprall schwerstgeschädigt

Sultan und Melek Akil wurden durch den Aufprall schwerstgeschädigt. Bei der Mutter wurde die Wirbelsäule verletzt, der Beckenring mehrfach gebrochen. Die 27-Jährige erlitt zudem weitere Frakturen an Armen und Beinen. Sie ist für lange Zeit arbeitsunfähig. Die fünfjährige Melek zog sich eine Beckenfraktur, eine Ruptur der Milz und einen Oberschenkelbruch zu. „Ich kann nur hoffen, dass das Kind lernt, mit dem Geschehenen umzugehen“, so Ehestädt.

Sultan Akils Ehemann und Vater der kleinen Melek, der jeden Tag als Nebenkläger den Prozess verfolgte, sagt nach dem Urteil: „Meine Frau lacht seit einem Jahr nicht mehr. Vielleicht wird sich das heute ändern.“ Sie habe noch immer starke Schmerzen und noch mehrere Operationen vor sich. Melek gehe es dagegen relativ gut. Sie sei gerade eingeschult worden.

Das Urteil gegen Djordje S. ist noch nicht rechtskräftig.