Gerichtsurteil: Yunus darf nicht in der Schule beten

Berlin - Yunus M. senkt kurz den Kopf, als Werner Neumann im prachtvollen Großen Saal des Leipziger Bundesverwaltungsgerichtes die Entscheidung verkündet. Der 18-jährige Gymnasiast sei „nicht berechtigt ein Gebet zu verrichten, wenn das konkret geeignet ist, den Schulfrieden zu stören“, sagt der grauhaarige Vorsitzende Richter in roter Robe. Der Schüler, Sohn eines deutschen Konvertiten und einer türkischen Mutter, hatte dagegen geklagt, dass ihm die Schulleiterin des Diesterweg-Gymnasiums in Wedding untersagt, auf dem Schulflur das islamische Mittagsgebet zu verrichten.

Während des vier Jahre dauernden Rechtsstreites hatte die Schule dem gläubigen Muslim zeitweise einen ungenutzten Computerraum zum Beten überlassen müssen. Nun darf Yunus M. weder auf dem Schulflur noch in einem separaten Klassenzimmer nach islamischen Ritus beten, verkündet das Gericht. „Die Einrichtung eines eigenen Raumes würde die organisatorischen Möglichkeiten der Schulen sprengen.“

Damit bestätigen die Richter der 6. Kammer eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg. Drei Gerichtsinstanzen hat Yunus seit jenem Novembertag 2007 beschäftigt. Damals traf ihn die Schulleiterin an, als er zusammen mit acht weiteren Mitschülern auf ausgelegten Jacken im Schulflur gen Mekka betete.

Yunus M., der sich inzwischen auf das Abitur vorbereitet, sagt nach dem Urteil, seine Mitschüler hätten sich durch sein Beten nicht belästigt gefühlt. „Es dauert nur fünf Minuten.“ Sein Anwalt Bülent Yasar lässt zunächst offen, ob er beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde einreichen werde. Durch die Entscheidung der Leipziger Richter sieht er das Grundrecht auf Glaubensfreiheit eingeschränkt. Denn ein Muslim solle fünf Mal am Tag beten. Und genau das ist die Kernfrage in diesem Verfahren: Ist die Glaubensfreiheit in diesem Fall höher zu bewerten als die mögliche Gefährdung des Schulfriedens?

Religiöse Neutralität des Staates

Rechtsanwältin Margarete Mühl-Jäckel, die das Land Berlin vertrat, weist darauf hin, dass in dem Gymnasium fünf Weltreligionen aufeinandertreffen. Dies führe zu Konflikten, deshalb sollte sich der Staat an der religiösen Neutralität orientieren. Laut Schulleitung würden Schüler angefeindet, wenn sie Schweinefleisch essen oder im Ramadan einen Schokoriegel, so Mühl-Jäckel. Zudem würden Mädchen wegen liberaler Kleidung kritisiert und ihnen zum Kopftuch geraten. Schon einmal sei es dort in einem Gebetsraum zu Streit gekommen, als muslimische Jungen den Raum für entweiht hielten, weil dort alevitische Mädchen beten wollten. Das islamische Ritualgebet mit dem Verneigen gen Mekka habe werbenden Charakter, würde Konflikte verschärfen.

Die Richter betonen aber, dass Deutschland kein laizistischer Staat sei und Schüler durchaus außerhalb der Unterrichtszeit in der Schule beten dürfen, so lange dies nicht den Schulfrieden gefährdet.

Die Berliner Bildungsverwaltung begrüßt das Urteil. „Wir sehen uns bestätigt“, sagte Sprecherin Beate Stoffers. Eine verbindliche Anweisung für die Schulen gibt es im Hinblick auf Gebetsräume nicht. Die beiden großen Kirchen heben hervor, dass es sich bei dem Urteil um eine Einzelfallentscheidung handele. Das Gericht habe betont, dass Schule kein religionsneutraler Raum sei, sagt eine Sprecherin der evangelischen Kirche. „Eine Verbannung des Religiösen aus dem öffentlichen und auch schulischen Bereich ist mit diesem Urteil jedenfalls nicht zu begründen“, so Erzbistums-Sprecher Stefan Förner.