Gotlindestraße Berlin-Lichtenberg: Wohnungen entstehen in ehemaligem Stasi-Gebäude

Lichtenberg - Die Aluminiumfassade ist leicht angegraut, Graffiti zieren die Wände im Erdgeschoss – das würfelförmige Gebäude in der Gotlindestraße 91a in Lichtenberg zeigt deutliche Spuren des Verfalls. Doch das soll sich bald ändern. Zwei israelische Geschäftsleute wollen das Gebäude, das zu DDR-Zeiten vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) genutzt wurde, zu einem Wohngebäude mit Lofts umgestalten.

„Das Projekt ist ein Unikat“, sagt Karl Jürgen Zeller von der Berliner Wohnbau Consult (Bewocon), die die Lofts vermarkten soll. Das Gebäude war in den 70er-Jahren errichtet worden und diente als Haus 43 der Abteilung N des MfS unter Stasi-Chef Erich Mielke. Die Abteilung N (Nachrichten) war unter anderem für die Sicherung der geheimen Nachrichtenverbindungen der Regierung und die Sicherung der Nachrichtenkommunikation des MfS zum Partei- und Staatsapparat verantwortlich.

Gotlindestraße 91: 50 Lofts entstehen in dem Sechsgeschosser

Der neue Name des Gebäudes enthält wieder eine Zahl: 2052 – sie leitet sich aus den äußeren Seitenlängen des Hauses ab (45,29 Meter mal 45,29 Meter). Das Architekturbüro Ulrich Borgert, Braun & Schlockermann (UBBS) hat die Neugestaltung der Immobilie geplant. Das DDR-Haus sei „qualitativ sehr hochwertig“ gebaut, sagt Patrick Stromeyer, der Projektleiter. „Die Bestandsdecken wurden bauzeitlich so ausgelegt, dass man mit einem sehr schweren Auto durchfahren könnte, ohne dass etwas passiert.“

50 Lofts entstehen in dem sechsgeschossigen Haus. Licht bringen die Architekten in das Gebäude, indem sie in der Mitte einen überdachten Innenhof konzipieren.

Wohnen im Loft: Raumhöhe von mehr als fünf Metern

Die Wohnungen werden über Laubengänge im neuen Innenhof erschlossen. Pro Etage sind zehn Lofts geplant. In der fünften und sechsten Etage entstehen Maisonette-Wohnungen. Die Wohnzimmer der Maisonette-Wohnungen verfügen über Raumhöhen von mehr als fünf Metern, weil sie über zwei Etagen reichen.

Die alte Aluminium-Fassade wird beim Umbau entfernt und durch spezielle Betonfertigteile, dunklen Putz und viel Glas ersetzt. Dadurch verändert sich das Aussehen komplett. An drei Seiten entstehen umlaufende Balkone. An drei Seiten entstehen umlaufende Balkone. 

Im Innern wurde das Haus bereits entkernt, das heißt, die nicht benötigten Wände und früheren Einbauten wurden abgetragen. Übrig geblieben sind Decken und Stützen aus nacktem Beton. Und daran soll sich nicht sonderlich viel ändern. Zwar werden die neuen Lofts in den Rohbau eingefügt, wobei die Trennwände zwischen den Wohneinheiten gemauert werden, die alten Beton-Flächen sollen aber in ihrer Ursprünglichkeit erhalten werden – sogar mit den Maserungen der ursprünglichen Holzverschalung. 

„Der Beton wird nur gereinigt“, sagen die Architekten. Alte Kabelwege werden verschlossen. Dort, wo der alte Rohbau zu sehen ist, werden die neuen Leitungen auf den Betonwänden entstehen. Unter Putz? Das war einmal. Nur in den Penthäusern liegen die Kabel nicht offen.

Als die Architekten die Planung für das Haus übernahmen, war von der ehemaligen Nutzung durch die Stasi nicht mehr viel zu sehen. Nur im Keller befand sich noch ein schalldichter Raum, in dem ein Kompressor stand, berichtet Patrick Stromeyer.

Schwierige Aktensuche

Hintergrund: Die Kommunikationsleitungen, die zu DDR-Zeiten zu dem Haus führten, standen unter Überdruck. „Versuchte jemand von außen die Leitungen anzuzapfen, wurde dies bemerkt, weil der Druck abfiel“, fanden die Architekten nach Gesprächen mit Historikern heraus. „Die Leitungen führten aus dem Nachrichtengebäude nach Russland und zu den Ministerien in Ost-Berlin“, so die Architekten.

Im neuen Gebäude wird an die alte Nutzung nichts mehr erinnern. Oder besser gesagt, fast nichts. Die Telekom, die das Haus nach der Wiedervereinigung übernahm und später verkaufte, will auf dem Dach weiter eine Antenne für den Funkverkehr betreiben. Zu DDR-Zeiten befanden sich sogar zwei Masten auf dem Dach, berichtet Stromeyer. Diese wurden aber abgebaut.

„Es war mit einem gewissen Risiko verbunden, das Projekt anzunehmen“, berichtet Ulrich Borgert, Geschäftsführender Gesellschafter des Architekturbüros UBBS. Beim Bauamt fanden sich zunächst keine Akten zu dem Vorhaben. Erst bei der Stasi-Unterlagenbehörde wurden die Architekten fündig. Genehmigt wurde der Umbau nach der aktuellen Bauordnung, also nach heutigem Recht. Schon bald soll es mit dem Projekt losgehen. Die Baugenehmigung liegt vor. 

899.900 Euro für ein Loft mit vier Zimmern

Der Baustart ist laut Bewocon für April/Mai geplant. Ende 2021 soll alles fertig sein. Sozialwohnungen entstehen nicht in dem Gebäude, die Lofts haben ihren Preis. So kostet ein Loft im Erdgeschoss mit zwei Zimmern und einer Wohnfläche von 95,28 Quadratmetern 389.000 Euro. Für ein Loft mit vier Zimmern und einer Wohnfläche von 154,47 Quadratmeter im dritten Obergeschoss werden 899.900 Euro verlangt.