Großbaustelle in Friedrichshain: Entschleunigt durch die Warschauer Straße
Morgens um sieben ist noch viel Platz auf der Warschauer Brücke, die Ersten eilen durch die Dämmerung, ducken die Köpfe vor dem Wind, der ihr Haar zerzaust, halten sich an ihren Kaffeebechern fest, wenn sie den paar torkelnden Nachtgestalten ausweichen. An der Ecke hat der Supermarkt Tag und Nacht geöffnet, in dieser Schneise, die Friedrichshain mit Kreuzberg verbindet, steht die Stadt niemals still. Eigentlich.
Seit Montag haben sie hier diese Bauzäune aufgestellt, aus Plastik, rot und weiß, ziehen sie sich vor dem Gehweg entlang, schneiden der Straße in jeder Richtung eine Fahrbahn ab. Vor der Fleischerei Domke sitzen die Frühaufsteher mit Kippe und Kaffee dahinter wie in einem Vorgarten aus Beton.
Ein Jahr lang wird gebaut auf der Warschauer Straße. Die Bauarbeiter haben am Montag schon den ersten Bürgersteig aufgegraben, Umbau für 2,3 Millionen Euro, eine 940 Meter lange Baustelle. Es soll einen Radweg geben, die Gehwege werden repariert, der Straßenbelag neu gemacht. Es wird also eng auf der Warschauer.
Noch rollt der Verkehr. Es war hier ja auch sowieso nie viel Platz. Wer mit dem Auto von Kreuzberg kam, fuhr immer am besten links, weil rechts die Autos am Straßenrand parkten, sich die Radfahrer wilde Rennen lieferten, Transporter ein- und ausluden, Müllmänner ihre Tonnen herumwuchteten.
Und in die andere Richtung? Da steht es am Dienstagmorgen tatsächlich still, Stau bis hoch zum Bersarinplatz, und quer dazu auf der Linksabbiegerspur, die von der östlichen Frankfurter Allee kommt. Aber es ist um diese Zeit noch keiner dieser Staus, bei dem man den Motor ausstellt und Zeitung lesen kann.
Es wird ein Jahr lang kein Spaß machen, durch dieses Nadelöhr zu müssen. Aber es hat sowieso schon lange keinen Spaß mehr gemacht, außer man flanierte den Grünstreifen in der Mitte der Fahrbahn entlang oder grindete dort auf dem Skateboard die Sitzbänke auf und ab (was wiederum die Anwohner überhaupt nicht lustig finden, aber nun gut).
Wer mit dem Fahrrad kam, egal aus welcher Richtung, dem half hier nur: Augen zu und durch. Also, nicht im wörtlichen Sinne natürlich, denn dieser Hindernisparcours über einen buckeligen Radweg auf der einen, und unberechenbaren Türen der parkenden Autos auf der anderen, macht die Warschauer zu einer der gefährlichsten Straßen der Stadt. Es war längst überfällig, dass sich daran etwas ändert.
Also: Ruhe bewahren, wenn es nun morgens und nach Feierabend hier mal länger dauert. Man nennt das Entschleunigung. Und die tut uns Großstädtern sowieso immer gut, auch die unfreiwillige.