Grünanlage in Grunewald: Ort des Gedenkens statt Luxusbebauung
Barbara Gstaltmayr hat einen Traum. Sie will einen Garten im Stadtteil Grunewald vor einer Luxusbebauung retten und daraus einen Ort des Gedenkens an jüdische Vertreibung machen. Die Sache hat allerdings einen Schönheitsfehler: Ein Mäzen wäre nötig. Jemand müsste knapp mehr als 1,5 Millionen Euro investieren und den 1500 Quadratmeter großen Garten kaufen, um ihn so vor der Bebauung mit einem dreistöckigen Haus mit Tiefgarage zu bewahren.
Deportiert und ermordet
Unrealistisch? Ja, vielleicht. Betrachtet man aber diese schmale Frau in ihrer Lederjacke dabei, wie sie durch den Garten vor ihrem Haus im Stadtteil Grunewald geht und anschaulich von einem Bürgergarten, einem öffentlichen Park erzählt und davon, wen sie bis hin zum Bundespräsidenten schon alles angesprochen hat, um ihn für die Sache zu erwärmen, erscheint die Idee gar nicht mehr so abwegig. Unbändiger Drang, eine Idee zu realisieren ist ja nicht die schlechteste Voraussetzung, um Berge zu versetzen.
Barbara Gstaltmayr ist 57 Jahre alt und betreibt eine PR-Agentur für Künstler. Sie wohnt in einem Gartenhaus an der Wissmannstraße 11. Sie ist dort Mieterin. Vorne an der Straße steht eine denkmalgeschützte Villa. Villa, Garten und Gartenhaus gehörten einst dem jüdischen Kaufmann Artur Barasch. Während seine Frau und seine Kinder in der NS-Zeit noch rechtzeitig das Land verließen, wurde Barasch 1942 deportiert und in Sachsenhausen ermordet. Vor seinem Haus an der Wissmannstraße erinnert ein Stolperstein an ihn. Die heutigen Gartenhausbewohner, Nachbarn von Barbara Gstaltmayr, haben dafür gesorgt, dass der Stein verlegt wurde.
Auf die jüdische Vertreibungsgeschichte ist die Mietergemeinschaft vor einigen Jahren gestoßen. Damals war die Besitzerin des Hauses pflegebedürftig geworden. Haus und Garten sollten verkauft werden, um einen Pflegeplatz für sie in einem Heim zu bezahlen. „Wir fingen an zu recherchieren, ob es nicht noch überlebende Angehörige der Familie Barasch gibt, die ein Anrecht auf den Besitz haben“, sagt Barbara Gstaltmayr. Sie fragten bei Yad Vashem in Israel nach, bei der Jewish Claims Conference, sahen in historischen Telefonbüchern nach und stießen schließlich auf Nachkommen in den USA, mit denen mittlerweile ein reger Briefwechsel zustande gekommen ist.
Offenbar war das Haus unter dem Druck der Nationalsozialisten an einen nicht-jüdischen Kaufmann veräußert worden. Während Mutter und Tochter entkamen, verschlug es den Sohn Werner Barasch nach Italien. Seine jahrelange Fluchtgeschichte hat er in einem Buch mit dem Titel „Entronnen“ festgehalten. „Dieses Buch hat mir einen großen Schrecken eingejagt“, sagt Barbara Gstaltmayr. Plötzlich war ihr die Vergangenheit und die brutale Nazi-Herrschaft ganz nah gerückt. Es bestärkte sie wohl auch in dem Gedanken, dass man etwas tun müsse, um an die Familie zu erinnern. Zumal die Recherchen ergeben hatten, dass der Grundstücksverkauf unter den Nazis nicht rückgängig zu machen war.
Fledermäuse in den Bäumen
Der ehemals herrschaftliche Garten ist heute verwildert. Ein historischer Brunnen und eine Löwenskulptur sind noch da, halb verfallen unter Planen. Dicke alte Bäume stehen da. Barbara Gstaltmayr hat sich schon beim Grünflächenamt erkundigt, ob hier nicht auch der Schutz von Fledermäusen eine Bebauung verhindern könnte. Aber auch das sieht eher schlecht aus. Von allen Widrigkeiten unbeirrt hat Barbara Gstaltmayr am vergangenen Freitag aber schon mal im Garten eine kleine Gedenkfeier für die Familie Barasch abgehalten. Es wurde aus dem Buch „Entronnen“ von Werner Barasch gelesen. Dazu gab es Musik, Brot und Wein.