Hamburg: Ein Sieg über Politik und Energielobby

Der Jubel der Sieger war groß. Aber ebenso die Erleichterung. Am 22. September, als Deutschland den Bundestag wählte, stimmten die Hamburger auch über einen Volksentscheid ab. Es ging darum, ob die Hansestadt ihre Energienetze, derzeit im Besitz von Vattenfall, vollständig zurück in städti-sche Hand holen soll. Dafür stimmte schließlich eine Mehrheit, eine extrem knappe: Knapp 51 Prozent waren dafür, gut 49 dagegen.

Hamburgs Entscheidung ist für den „Berliner Energietisch“ mit sei-nem ganz ähnlichen Anliegen sehr wichtig. Jetzt klar, dass es geht. Die Bürger können einen solchen Plan durchsetzen, wenn sie es richtig anfangen. Andererseits ist ein Erfolg alles andere als selbstverständlich. Noch Anfang dieses Jahres hatten Umfragen ergeben, dass zwei Drittel der Hamburger Ja zum Rückkauf sagen. Doch im Laufe der Zeit wurde dieser Vorsprung immer geringer. „Die Gegenkampagne war sehr stark“, sagt Wiebke Hansen vom BUND Hamburg, einem der sechs Gründerverbände der Bürgerinitiative „Unser Hamburg – unser Netz“.

Harte Auseinandersetzung

Die Initiatoren hatten vor allem in den letzten Monaten vor der Abstimmung ein höchst einflussreiches Bündnis aus Wirtschaft und Politik zum Gegner. Neben dem Energieriesen Vattenfall, der vom Kinospot über Plakate bis zur Zeitungsbeilage alle Register zog, kooperierten sämtliche maßgeblichen Wirtschaftslobbyisten der Hansestadt in der Kampagne „NEIN zum Netzkauf“. Handelskammer, Industrieverband, Steuerzahlerbund, Familienunternehmer, Immobilienverbände – alle waren dabei. Und auch eine sehr große Koalition in der Landespolitik: Die alleinregierende SPD, die CDU und die FDP argumentierten auf allen Kanälen für ein Nein, inklusive dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz. Nur Grüne und Linke wollten die Netze ebenfalls zurückkaufen.

Hätte der Volksentscheid nur ein oder zwei Wochen später stattgefunden, wäre die Mehrheit möglicherweise noch gekippt. „Wir haben erst im August angefangen und mussten einen Spurt hinlegen“, sagt Mario Spitzmüller, Sprecher des Hamburger BDI-Landesablegers IHV, der das Nein-Bündnis koordinierte. Der Hauptslogan der Kampagne lautete: „Zwei Milliarden für Netzkauf? Nicht mit meinem Geld.“

Privatisierungs- und Verstaatli-chungsgegner kämpften in Hamburg mit einer Härte gegeneinander, wie sie in Berlin bislang nicht vorstellbar ist. Zwar sagen auch in der Hauptstadt die Regierungsparteien Nein zum Vorschlag des Energietisches. Michael Efler, Vertrauensmann der Berliner Initiative, äußert aber schon mal seine Erwartungen. Der Sozialdemokrat Olaf Scholz, erklärter Gegner des Rückkauf-Plans, sei ein Vorbild für den Sozialdemokraten Klaus Wowereit, findet Efler. Noch in der Wahlnacht habe Scholz versprochen, sich strikt an das Ja-Votum zu halten. „Das er-warten wir auch vom Regierenden Bürgermeister von Berlin.“