Harmsens Berlin: Mein Mini-Ratgeber für Designerhotels in Berlin

In der Bahn tauschen sich zwei Berliner tatsächlich über ihre zurückliegenden sommerlichen Urlaubsreisen aus, während draußen die kühlen Herbstwinde wehen. „Pass uff, dit Hotel hättste mal sehn solln“, sagt der eine, „’ne richtije Flohbude. Dit Zimma direkt an Fahrstuhl. Licht kaputt, Kakerlaken im Bad und so weita“ – „Ja und bei uns erst mal“, sagt der andere. „Da stand dit Wassa im Foyer. Im Pool hats dajejen ausjesehn wie uff ’ne Müllkippe. Keena is rinjejang. Und von wejen Strandblick, wiet im Katalooch jestanden hat. Okay, mit’m Fernjlas konntste wat sehn.“

Eine der wichtigsten Erfahrungen, die ich auf Reisen gemacht habe, lautet: Die Anzahl der Sterne eines Hotels sagt noch gar nichts aus. „Übrigens darf ich bei allem Respekt vor meinem berühmten Hotel sagen, unberühmte sind meist interessanter“, ließ bereits 1897 Theodor Fontane im Roman „Der Stechlin“ einen seiner Helden sagen.

Fontane wird ja gerade groß gefeiert. Er wäre im Dezember 200 Jahre alt geworden. Vielleicht hätte er es wirklich bis zu diesem Alter geschafft, wäre er immer im richtigen Hotel abgestiegen.

Meiner Meinung nach sind jene Hotels am schlimmsten, die sich edel geben, sich aber nicht um ihre Gäste scheren. In Barcelona hatten wir mal so eins. Wir wurden leider von einem einfachen Innenstadt-Hotel dahin umgebucht. Ein wahrer Protz-Klotz.

Ein Mini-Ratgeber für Designerhotels

Ein verhinderter Künstler hatte hier alle Mühe aufgewendet, um Funktionalität hinter lauter Schnickschnack zu verbergen. Aus der Erfahrung mit diesem und anderen Hotels habe ich einen „Mini-Ratgeber für Designerhotels“ erarbeitet, falls jemand in Berlin so was aufmachen will. Hier ist er:

1. Die Wände versehe man mit möglichst vielen Design-Elementen, so dass am Ende niemand weiß: Ist das ein künstlerischer Schnörkel oder der Hinweis aufs Herrenklo?

2. Die Lichtschalter im Hotelzimmer bringe man möglichst unübersichtlich an. Am besten ist, wenn man sie nur vom Bett aus bedienen kann.

3. Man spare gründlich an Haken und installiere nur eine einzige Vorrichtung zum Handtuchtrocknen. Ideal wäre die Form eines schaukelnden Trapezes, an Schnüren von der Decke hängend, so dass alles in Schwingung gerät, wenn man ein Tuch aufhängen will. Am Ende fliegt das Handtuch auf den Boden.

4. Zugleich stelle man eine Karte hin, auf der steht, dass man in diesem Hotel auf die Umwelt achte. Man könne die Handtücher mehrmals benutzen. Nur jene, die auf dem Boden lägen, würden zum Waschen mitgenommen.

6. Die Badewanne habe einen Rand, der eine Vertiefung aufweist, aus der das Wasser nicht ablaufen kann. Aber mit einem Handtuch lässt es sich ja aufsaugen.

7. Den Wasserhahn befestige man ganz am Rand eines runden Waschbeckens. Beim Händewaschen plätschert alles über den Rand und überschwemmt die Marmorplatte. Als unser Aufenthalt im Hotel in Barcelona zu Ende war, bestellten wir bei der Rezeption ein Taxi, um zum Flughafen zu fahren. Wir standen am Haupteingang und warteten. 

Doch es kam ewig keins. Also bestellten wir noch ein Taxi. Wieder kam ewig keins. Also gingen wir noch einmal zur Rezeption. Erst in diesem Moment sagte man uns, dass die Taxis nur an der Rückseite des Hotels hielten. Wir hätten fast unseren Flug verpasst. Bah, Designerhotels!

Buch und Lesung: Torsten Harmsen: Der Mond ist ein Berliner. Wunderliches aus dem Hauptstadt-Kaff, be.bra Verlag, Berlin 2019. 224 S., 14 Euro. Lesung: 30. Oktober, 20.15 Uhr, Thalia, Hallen Am Borsigturm, Am Borsigturm 2, 13507 Berlin.