Berlins Flughafenbahnhof im Test: Das Prädikat hat er gerade noch geschafft
Untersucht wurde, wie familienfreundlich die Station unter dem Terminal 1-2 ist. An bestimmten Stellen sollten Eltern auf ihre Kinder aufpassen, so die Prüfer.

Nicht alles hat den Prüfern gefallen. Trotzdem hat es der Bahnhof unter dem Flughafen Berlin Brandenburg, kurz BER, geschafft. Der Deutsche Familienverband (DFV) und Pro Bahn haben die Station als „familiengerechten Bahnhof“ ausgezeichnet. Es ist der erste Bahnhof, der dieses Prüfsiegel bekommen hat. „Hier haben die Verbände Neuland beschritten“, sagte Wolfgang Haupt, Vorsitzender des DFV-Landesverbandes Brandenburg. Allerdings hätte die Station, die eine Gesamtnote von 2,3 bekam, das Prädikat beinahe verfehlt. Sie kam nur „knapp über die Ziellinie“, stellten die Prüfer fest. Was waren die Maßstäbe – und wie schnitt der Flughafenbahnhof im Einzelnen ab?
Eines konnte man dem Bahnhof Flughafen BER Terminal 1-2 nicht vorwerfen. Anders als beim neuen Schönefelder Flughafen wurden die Bauarbeiten pünktlich beendet. Seit dem 30. Oktober 2011 ist die Schienenanbindung des Flughafens offiziell in Betrieb. Die Flughafengesellschaft, die für den Rohbau des drei Kilometer langen Tunnels und des Bahnhofs auf ihrem Gelände verantwortlich war, stellte diesen Teil des Großprojekts sogar rund sechs Monate vorfristig fertig. Der Bau hatte vier Jahre gedauert. Der BER nahm erst am 31. Oktober 2020 den Verkehr auf, 14 Jahre nach dem ersten Spatenstich.

Die Anlage besteht aus zwei Verkehrsstationen. Vom einzigen Bahnsteig des Kopfbahnhofs für die S-Bahn, der intern als BFBB bezeichnet wird, verkehren Züge der Linien S45 und S9 nach Berlin. Die Station für den Fern- und Regionalverkehr (BFBI) mit ihren zwei jeweils 405 Meter langen Bahnsteigen kann auch von Osten angefahren werden. Weiße Doppelstock-Intercitys fahren nach Rostock, Dresden und Chemnitz. Der Flughafen-Express FEX und andere rote Regionalzüge stellen viermal stündlich Verbindungen nach Berlin her. Auch Potsdam und andere Ziele rund um Berlin werden angesteuert. Alles in allem gilt die Anbindung als gut, und mit 3,80 Euro (ab April vier Euro) ist ein Einzelfahrschein in die Innenstadt verhältnismäßig preiswert. Zum Vergleich: In München zahlt man für ein Einzelticket vom Airport in die City 13 Euro.
„Kinder sind die Zugreisenden von morgen“
Aber wie fahrgastfreundlich ist der Berliner Flughafenbahnhof? Das haben der DFV und Pro Bahn am Beispiel einer wichtigen Gruppe geprüft: Familien mit Kindern. „Eltern sind die Bahnkunden von heute und Kinder die Zugreisenden von morgen“, erklärt Peter Cornelius, Vorsitzender von Pro Bahn Berlin-Brandenburg. „Unser Ziel ist klar: Mit der Bewertung wollen wir zukünftige Verbesserungen in der Bahnhofsinfrastruktur anstoßen und es den Familien erleichtern, auf die Schiene umzusteigen.“
Der BER-Bahnhof wurde für das Modellprojekt ausgewählt, weil er für viele Reisende von außerhalb der erste Anlaufpunkt für die Weiterfahrt in die Stadt ist. Er sei eine „wichtige Visitenkarte der Bundeshauptstadt“, hieß es. Mit täglich rund 400 Ankünften und Abfahrten sowie rund 120.000 Fahrgästen gilt der Bahnhof südöstlich von Berlin zudem als eine der wichtigen Stationen dieser Region. Der mit Familien erarbeitete Bewertungsbogen sieht sieben Kategorien mit insgesamt 48 Einzelkriterien vor. Mehrere Prüferinnen und Prüfer sahen sich den Bahnhof im Herbst 2022 an mehreren Tagen an.
Orientierung und Wegeleitung: Das ist die erste der sieben Kategorien. Beides könne auf der Schulnotenskala von 1 bis 6 „noch als gut“ bewertet werden, hieß es. Die Wegeleitung sei nicht intuitiv erfassbar, die Systematik und Struktur der Informationen nicht sofort verständlich. Als negativ wurde auch vermerkt, dass das Mobilfunksignal im Bahnsteigbereich so schwach ist, dass eine sinnvolle Handynutzung nicht möglich sei.
Besonders kritisch sahen die Prüfer die Engstellen auf den drei Bahnsteigen. Weil die mittig gebauten Treppenaufgänge viel Platz beanspruchen, bleibt links und rechts davon wenig Raum. Die Abschnitte seien „gefährlich beengt“, oft komme es zu Gedränge. „Für Eltern gilt an diesen Stellen für ihre Kinder: Besonders aufpassen!“ lautet die Warnung. „Für Pro Bahn und DFV sind diese engen Abschnitte eine planerische Fehlleistung.“
Bestnoten für Sicherheit und Sauberkeit
In der Kategorie Sicherheit vergaben die Prüfer dagegen fast durchgehend Bestnoten. „Am Flughafenbahnhof fühlt man sich zu jeder Zeit sicher“, so das Resümee. Sicherheitspersonal und Polizeibeamte patrouillieren erkennbar – Note 1,0. Der Bahnhof sei stets gut ausgeleuchtet – Note 1,4. Überwachungskameras tragen zu einem positiven Sicherheitsempfinden bei, hieß es weiter. Die Tatsache, dass die Notrufsäulen nicht oder nur schwer zu lokalisieren sind, wurde aber negativ bewertet – Note 5,4.
Auch in der Kategorie Sauberkeit waren die Verbandsvertreter zufrieden. Hier kam der Flughafenbahnhof auf die Note 1,3 – sehr gut. Lediglich beim Thema Toiletten gab es Abwertungen. So habe einer der Toilettenräume, die im Erdgeschoss über der Station liegen, ungepflegt gewirkt, lautete ein Hinweis. Ergebnis: leider nur eine 2,4.
Als es dann um die Barrierefreiheit ging, schnitt die BER-Station mit der Note 3,4 schlechter ab. „Unbefriedigend“, lautet das Urteil. Als besonders negativ wurde bewertet, dass es keine Rolltreppen gibt, mit denen man vom Erdgeschoss des Flughafens hinunter auf die Bahnsteige fahren kann. „Leider sind die Aufzüge keine wirkliche Abhilfe für dieses bauliche Manko. Regelmäßig bildeten sich lange Warteschlangen vor den Fahrstühlen. Die Anzahl der Fahrstühle müsste nach Ansicht der Prüfer verdoppelt werden“, hieß es. Für die Zugänge zu den Bahnsteigen gab es eine 3,0.
„Ein absoluter Flop waren die teuren Parkhäuser und das Fehlen zumindest zeitweise kostenfreier Parkmöglichkeiten“, so die Prüfer, die bei diesem Einzelkriterium die Note: 5,6 vergaben. „Viele Menschen werden damit gezwungen, teure Parkplätze in Anspruch zu nehmen, wenn sie jemanden abholen möchten.“ Der Bodenbelag bekam die Note 3,0: „Für Schuhe mit glatten Sohlen etwas ungünstig. Bei Nässe und Eile wohl gefährlich.“
Nur ein Ticketautomat pro Bahnsteig ist zu wenig
Beim Thema Bahnhofsausstattung hellte sich das Bild wieder auf. Für die Einkaufsmöglichkeiten vergaben die Prüfer eine gute Note. 1,6. Auch dass es genug kostenlose Toiletten mit Wickeltischen gibt, wurde positiv notiert. „Weniger gut ist die Anzahl der Sitzmöglichkeiten am Bahnsteig. Hier gaben die Prüfer übereinstimmend an, dass es zu wenige Sitzplätze auf den langen Bahnsteigen gibt“, so der Bericht. „Zudem fehlten Uhren an den jeweiligen Enden der Bahnsteige. Es entstand für die Prüfer der Eindruck, dass das Aufhängen der Bahnhofsuhren dort einfach vergessen worden war.“
In der Kategorie Reiseinformation am Bahnhof ging es unter anderem um die Durchsagen am Gleis. Sie seien „klar und deutlich zu verstehen“, lobten die Prüfer. „Das Bahnhofspersonal war beim Fahrscheinverkauf zur Stelle und Reiseinformationen waren problemlos zu erhalten.“ Allerdings sei ein Fahrkartenautomat pro Bahnsteig zu wenig.
Ein Bahnhof, der die Gesamtnote 2,3 und besser vorzuweisen hat, wird von Pro Bahn und dem Deutschen Familienverband als familiengerechter Bahnhof bezeichnet. Diese Hürde hat die Station unter dem größten BER-Terminal knapp geschafft: Er bekam die Note 2,3.
Die schlechteste Note, eine 6,0, gab es, als die Prüfer nach einem familiengerechten Wartebereich suchten. Ihn gibt es im Flughafenbahnhof nicht – anders als im Hauptbahnhof Dresden. „Dresden top! Berlin flop!“, lautet das Urteil bei diesem Thema.
Bahnsteige und Züge passen nicht zueinander
Das Gesamtfazit lautet: „Der Bahnhof Flughafen BER – Terminal 1-2 ist ein freundlicher, sicherer und qualitätsorientierter Start- und Zielort für Familien, der in Verbindung mit dem Flughafen die individuelle Reiselust weckt. Vieles ist gut, manches könnte noch besser gemacht werden. Mit überschaubaren Investitionen kann der Bahnhof die Aufenthaltsqualität für Familien schnell und deutlich verbessern.“
Es ist nicht das erste Mal, dass der jüngste Schönefelder Bahnhof bewertet wird. Bei einem anderen Test, der 2021 stattfand, haben die Senior Research Group, die am Zentrum Technik und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin angesiedelt ist, und Pro Bahn zusammengearbeitet. Schon damals wurde der Wlan-Mangel negativ bewertet. Auch dass es im Bahnhof keine abwärts führenden Fahrtreppen gibt, wurde kritisch eingeschätzt. Für Fahrgäste mit Gepäck sei das ein Handicap, so die Tester. Für sie seien die Treppen „nur sehr mühsam zu bewältigen“.
Bahnsteige für Regionalzüge entweder zu hoch oder zu niedrig
Wie für viele andere Stationen in der Region gilt, dass die Bahnsteige und Züge nicht zueinander passen. Die Bahnsteige für den Fern- und Regionalverkehr haben eine Höhe von 76 Zentimetern, doch der Einstieg bei den Triebzügen vom Typ Talent liegt 16 Zentimeter tiefer. Beim Flughafenexpress FEX befindet sich der Einstieg entweder in 60 Zentimeter oder in einem Meter Höhe. Ein stufenloses Ein- und Aussteigen ist nicht möglich.