„Unsere Welt ist aus den Fugen“: Diskussion mit Politikern und Clubbesitzern im SchwuZ

Anlässlich der Wiederholungswahl hat die Clubcommission die Parteien befragt, wie sie zur Clubkultur stehen. Auch Kultursenator Klaus Lederer war dabei.

Pamela Schobeß (Club Gretchen), Klaus Lederer (Die Linke), Christian Goiny (CDU) und Moderatorin Gesine Kühne (v.l.n.r.) bei der Podiumsdiskussion zur Clubkultur.
Pamela Schobeß (Club Gretchen), Klaus Lederer (Die Linke), Christian Goiny (CDU) und Moderatorin Gesine Kühne (v.l.n.r.) bei der Podiumsdiskussion zur Clubkultur.Emmanuele Contini

Einmal A100 quer durchs SchwuZ würde mehrere Hunderttausend Euro kosten. Julian Schwarze (Bündnis 90/Die Grünen) sitzt auf der Bühne im Club und deutet ans andere Ende des großen Floors: Aktuelle Schätzungen gingen von 240.000 Euro pro Meter aus, sagt er. „Das ist verkehrspolitisch kompletter Unsinn“, sagt er. Der Bau des 17. Bauabschnitts steht Klimazielen entgegen, wofür die Grünen stehen. Er würde aber auch einige Clubs verdrängen. Die Menschen, die die Parteien an diesem Mittwochabend aufs Podium geschickt haben, sind sich einig: Clubkultur gehört zu Berlin, dementsprechend muss die Politik sie auch fördern.

Moderatorin Gesine Kühne führt durch den Abend und spricht mit Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke), Julian Schwarze (Bündnis 90/Die Grünen), Christian Goiny (CDU), Stefan Förster (FDP), Tamara Lüdke (SPD) und Pamela Schobeß (Club Gretchen). Die AfD ist an diesem Abend nicht vertreten. Die Diskussion konnten Zuschauer auch über den Livestream verfolgen.

Zentrales Thema sind die steigenden Preise, für die Besucher, aber auch als Existenzbedrohung für die Clubs. „Unsere Welt ist aus den Fugen“, sagt Pamela Schobeß, Betreiberin des Clubs Gretchen. Clubs seien immer stolz darauf gewesen, sich selbst zu tragen, und haben Nischen teilweise querfinanziert. Seit der Pandemie und dem Angriffskrieg sind sie auf Fördermittel angewiesen. Die Jugendkulturkarte soll die Preissteigerungen für junge Besucher etwas abfedern, eine Gutschrift von 50 Euro für 18- bis 23-Jährige, die verschiedene Kulturstätten und Clubs als Bezahlung annehmen. Eine echte Lösung sei das nicht, räumt Kultursenator Lederer ein, der die Jugendkulturkarte mit auf den Weg gebracht hat.

Das Publikum murmelt und kommentiert, weil Christian Goiny die A100 befürwortet.
Das Publikum murmelt und kommentiert, weil Christian Goiny die A100 befürwortet.Emmanuele Contini

Wegen der A100 sind die Clubs Else, Salon zur Wilden Renate, About Blank, Club Ost, Void und Oxi bedroht. Während des geplanten Weiterbaus würde die Fläche benötigt, sie müssten weichen. Der Bau des 17. Abschnitts ist im Bundesverkehrswegeplan mit „Priorität“ vorgesehen. Als Moderatorin Kühne dem CDU-Vertreter Goiny das Mikrofon bei der Frage nach dem Weiterbau der A100 und dem 17. Bauabschnitt in die Hand reicht, geht ein Raunen durchs Publikum. Als Goiny darauf verweist, dass das ein altes Projekt sei und man Wohngegenden entlasten müsste, werden die Zuschauer unruhig. „Mehr Straßen, mehr Verkehr“, ruft jemand. „Wir haben Dampf gemacht“, sagt Tamara Lüdke (SPD) dagegen. „Und als SPD auf Landesebene nach oben kommuniziert, dass wir das nicht wollen.“

Manche Zuschauer bei der Podiumsdiskussion der Clubcommission zur Wiederholungswahl bangen um ihren Job. Nora, die beim Salon zur Wilden Renate fürs Personal zuständig ist, beschreibt, wie sie immer wieder gefragt wird, wie es weitergehe. Ein Mitarbeiter steht auf und verweist noch einmal darauf, dass es empirisch erwiesen sei, dass es bei mehr Straßen auch mehr Verkehr gebe. „Es geht nicht, dass man an Plänen aus den Siebzigern festhält“, sagt er. „Sondern man sollte die objektiv beste Lösung wählen.“

Die Clubcommission hat im Vorfeld der Diskussion alle Parteien dazu befragt, wie sie zu den verschiedenen Clubthemen stehen und die Ergebnisse auf einer Website zusammengefasst. Grüne, Linke und SPD befürworten beispielsweise Drugchecking in Berlin, das es ab März geben soll. Clubgänger können dann also die Reinheit und den Inhalt ihrer Drogen analysieren lassen. Auch die Unterstützung von sogenannten Awarness-Teams in Clubs, die Besucher im Fall von Diskriminierung oder Belästigung ansprechen können, ist einer der aufgeführten Punkte. Sich „frei bewegen und ausprobieren“, dafür stehen die Clubs laut Lüdke und Betreiberin Schobeß.

Eine echte Debatte entbrennt an einem eher kleinteiligen Thema: der Planungssicherheit des Yaams. Lederer und Goiny klagen die grüne Bezirkspolitik von Friedrichshain-Kreuzberg an, weil sie unter anderem keinen langfristigen Vertrag zusichere. Julian Schwarze erwidert, der Bezirk habe Gutachten erstellt und versucht zu unterstützen, „wo es geht“. „Wir können uns auch gegenseitig ins Wort fallen und es auf den Wahlkampf herunterbrechen“, sagt er. „Ich dachte aber es geht um die Sache.“

Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) sagt, er habe eigentlich Besseres zu tun, als Wahlkampf zu betreiben.
Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) sagt, er habe eigentlich Besseres zu tun, als Wahlkampf zu betreiben.Emmanuele Contini

Gerade die Kommunikation der Landes- mit der Bezirkspolitik ist bei der Podiumsdiskussion eins der großen Themen. Das Grünflächengesetz steht spontanen Veranstaltungen entgegen und müsse geändert werden. Kultursenator Lederer sagt, dass er bei den Bezirken nachgefragt hat, welche Flächen sie zur Verfügung stellen würden, nur drei von zwölf haben überhaupt geantwortet. Er schlägt ein parlamentarisches Forum zur Clubkultur auf Landesebene vor, für mehr Rückendeckung bei Clubthemen, gerade gegenüber Bezirk und Verwaltung. Auf Bundesebene gibt es ein solches Parlamentarisches Forum für Clubkultur und Festivals bereits.

Spitzenkandidat und Kultursenator Klaus Lederer will eigentlich nicht auf dieser Bühne sitzen. „Die verkackte Wiederholungswahl ist ein Problem“, sagt er. Deshalb könne er weniger für die Kulturpolitik tun und müsse mehr auf Veranstaltungen wie dieser sein. „Jeder Tag, den man nicht für solche Zwecke einsetzen kann, ist ein verlorener Tag.“