Hauptstadtflughafen: Wannsee-Flugroute gekippt

Berlin/Potsdam - Nach einigen Stunden kam Roger Fieting auf den vielleicht entscheidenden Punkt an diesem Tag zu sprechen. „Eine weitere Risikominimierung ist nicht möglich“, zitierte er aus einem Dokument, mit dem das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) vor einem Jahr die Festlegung der Abflugstrecken vom künftigen Hauptstadtflughafen BER begründete. Dass es überhaupt ein Risiko gibt, hatte das BAF bisher stets bestritten.

Roger Fieting ist der Vorsitzende Richter, der am Mittwoch die erste Flugrouten-Verhandlung am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) geleitet hat, und das Risiko ist der Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums in Wannsee. Der Reaktor ist das Detail, das dem Gericht die Wannsee-Route – lärmtechnisch nicht die umstrittenste Strecke – nicht hinnehmbar machte. Nach der BER-Eröffnung sollten bis zu 83 Flugzeuge täglich den Reaktor in nur drei Kilometer Entfernung passieren. Die Maschinen hätten dabei eine Höhe von etwa 2 600 Metern erreicht. Geklagt haben neben der Stadt Teltow, den Gemeinden Stahnsdorf und Kleinmachnow auch mehrere Einzelpersonen.

BAF erwägt Revision

Sie haben ihr Ziel erreicht, dass die Flugzeuge nun um Potsdam und Werder herumgeleitet werden. Diese Strecke war schon für besonders schwere Maschinen vorgesehen, die nicht so schnell an Höhe gewinnen können – drei Flugzeuge sollten es täglich sein. „Die Vorstellung, dass nun alle Flugzeuge wie an einer Perlenschnur um Potsdam herum fliegen, ist eine Illusion“, sagte BAF-Direktor Herrmann. Wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, will die Behörde über eine Revision entscheiden.

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Nach Angaben des BAF gibt es rechtlich keine Beschränkung für Verkehrsflugzeuge, den Versuchsreaktor zu überfliegen. Ein Sicherheitsbereich mit einem Radius von zwei nautischen Meilen (rund 3,7 Kilometer) gilt lediglich für Sportflugzeuge. BAF-Direktor Nikolaus Herrmann konnte die Richter nicht mehr überzeugen. Die Risiken, dass etwas passiert, lägen „deutlich unter der Gefahrengrenze“, sagte er.

Frage nach Umweltverträglichkeitsprüfung vorerst offen gelassen

Das Gericht sah es am Abend als entscheidendes Manko an, dass keine Risikobewertung vorgenommen wurde. Die Frage einer möglicherweise unterlassenen Umweltverträglichkeitsprüfung, die auch für andere Flugrouten-Verhandlungen entscheidend sein kann, stellte das Gericht zunächst zurück. Es will erst abwarten, wie die EU-Kommission in Brüssel sich dazu verhält. Die Kommission hatte Mitte Januar noch unverbindlich mitgeteilt, dass sie eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach EU-Recht für unverzichtbar hält. Brüssel schließt deshalb ein Verfahren gegen Deutschland nicht aus.

Weitere Flugrouten-Verfahren sind bereits angekündigt. Wahrscheinlich im April geht es vor dem OVG um die Müggelsee-Route, von der auch der Köpenicker Ortsteil Friedrichshagen betroffen ist. Und vermutlich Anfang Juni soll die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow mit ihrer Klage gegen die Abflugstrecken Richtung Westen zu Wort kommen. Der dicht am Flughafen liegende Ort wird nach der BER-Eröffnung so stark vom Fluglärm betroffen sein wie kein anderer. Der Vorsitzende Richter kündigte an, alle Verfahren noch in diesem Jahr abschließen zu wollen. So sollen das Bundesverwaltungsgericht und Behörden gegebenenfalls Zeit für weitere Entscheidungen haben, bevor der BER in Betrieb geht.