Berlin-Nach rund zwölfstündiger Debatte hat das Berliner Abgeordnetenhaus den Doppelhaushalt der Hauptstadt für 2020 und 2021 beschlossen. Für das Zahlenwerk stimmten am Donnerstagabend die rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen. CDU, AfD und FDP stimmten dagegen.

Insgesamt sieht der Doppelhaushalt Ausgaben von 31 Milliarden Euro im nächsten und von 32,3 Milliarden Euro im übernächsten Jahr vor. Größter Posten dabei sind die Personalausgaben, die pro Jahr mit mehr als 10 Milliarden zu Buche schlagen. Für die Schuldentilgung sind in beiden Jahren zusammen etwa 460 Millionen Euro vorgesehen – noch hat Berlin Verbindlichkeiten in Höhe von 57 Milliarden Euro zu begleichen. Doch es gibt auch Raum für Investitionen: 5,3 Milliarden Euro sind für beide Jahre eingeplant.
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Opposition kritisiert Doppelhaushalt als zu teuer
Besonders um diese Posten haben die drei Regierungsparteien in den vergangenen Monaten hart gerungen – und einige ganz neue und kostenintensive Projekte hineinverhandelt. Die SPD spricht von dem „größten Konjunkturpaket, das Berlin je gesehen hat“, die Grünen von dem „mutigsten Ökopaket aller Zeiten“, die Linke von einem wichtigen Schritt hin zur „solidarischen Stadt“.
Die Opposition kritisierte den Doppelhaushalt am Donnerstag scharf als zu teuer und als an den Problemen der Stadt vorbei geplant.
Unten die wichtigsten, neusten und größten Projekte der rot-rot-grünen Regierung im Überblick.
- Bäume pflanzen: Lange haben die Grünen dafür gekämpft, in diesem Jahr haben sie es geschafft: Jeder Baum, den die zwölf Bezirke neu pflanzen, wird in Zukunft kostendeckend mit 80 Euro vom Land gefördert. Aus Sicht der Grünen ist das schon lange überfällig. Bisher zahlte das Land den Bezirken nur 40 Euro pro Baum. Rote Zahlen schrieben also automatisch jene, die sich Mühe gaben. Zugleich war das Personal in den Amtsstuben zu knapp. Die Grünen hoffen, die Abwärtsspirale mit der stattlichen Finanzspritze von insgesamt 14,8 Millionen Euro pro Jahr zu durchbrechen. Und wissen auch: Der Baum vor der eigenen Haustür hat nicht nur für die Grünen-Basis eine besondere emotionale Bezugsgröße. Die größte Sorge der Grünen ist, dass das Geld vom Land im Beton versickert, wenn CDU- oder SPD-Stadträte nötig sind, um es in Stadtgrün zu investieren.
- ÖPNV ausbauen: Der Ausbau des Nahverkehrs ist ein Anliegen der Koalition, besonderes Interesse daran haben aber die Grünen – denn zurzeit ist das häufigste und stichhaltigste Argument gegen ihre Anti-Auto-Politik: Es fehlen die Alternativen. Die Pläne stehen zum Teil schon: Bis zu 1 500 U-Bahnwagen müssen neu angeschafft werden, die Taktungen sollen so erhöht werden. Auch bei der S-Bahn müssen mehr als 1 300 neue Wagen her, Betrieb und Instandhaltung für große Teile des Streckennetzes werden gerade ausgeschrieben – in der größten Ausschreibung, die es für die Berliner S-Bahn jemals gab. Für die Jahre 2020 und 2021 hat Berlin für das Riesenprojekt zur Stärkung des ÖPNV 3,3 Milliarden Euro in den Haushalt eingestellt. Doch die erbitterten Diskussionen werden weitergehen: Verwendet man das Geld auch für den Bau neuer U-Bahn-Tunnel? Oder fließt mehr in neue Straßenbahnen?

- Boden kaufen: Der Bodenankauf-Fonds kommt aus der Ideenschmiede der Linken und soll in Zukunft einen Paradigmenwechsel in der Bodenpolitik des Landes bewirken: Eine öffentliche Gesellschaft soll in den nächsten Monaten neu gegründet werden, die in Zukunft Grundstücke aufkaufen soll, auf denen Kitas, Schulen, Parks, Verwaltungsgebäude oder Einrichtungen für Kunst und Kultur errichtet werden könnten. Die Linke will Grundstücke auch gezielt „auf Vorrat“ kaufen lassen, zurzeit muss das Land immer einen unmittelbaren Bedarf nachweisen. Durch das vorausschauende Aufkaufen von Grundstücken, so hoffen die Linken, werden auch die Preise für den Landeshaushalt sinken. Der Zeitplan zur Gründung der neuen Gesellschaft ist noch unkonkret, in der Finanzverwaltung kursieren erste Papiere dazu. Im Doppelhaushalt ist schon jetzt eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 250 Millionen Euro für den Fonds eingeplant.
- Mieten deckeln: Der Mietendeckel ist zurzeit das Projekt des Senats mit der bundesweit größten Strahlkraft. Ursprünglich kam die Idee zum Deckel aus der SPD, mit der Bausenatorin Katrin Lompscher sind aber jetzt die Linken mit der Umsetzung betraut – und werden auch für eine schlechte Bilanz den Kopf hin halten müssen. Haushaltspolitisch ist der Deckel kein einfaches Unterfangen, schließlich ist die Idee spontan aus der Not der Wohnungskrise entstanden, der Entwurf wurde in Marathonsitzungen in wenigen Monaten durch das Parlament gepeitscht. Früh merkten Kritiker an: Um den Deckel nicht zur reinen PR-Kampagne verkommen zu lassen, müssten dringend neue Stellen geschaffen werden, die auch kontrollieren, was im Gesetz steht. Dieser Doppelhaushalt soll dieses Personal liefern: 48 Stellen sollen in den Bezirken entstehen, 130 in der Hauptverwaltung und 20 weitere für Querschnittsthemen. Kostenpunkt: elf Millionen Euro in 2020, 40 Millionen in 2021.

- Beamte entlasten: Das einzige wirklich große und zugleich neue Projekt der SPD in diesem Haushalt ist die Hauptstadtzulage. Mehr als 230 Millionen Euro wurden dafür eingestellt. Nach Vorstellung der SPD sollen Beamte und Landesangestellte ein BVG-Ticket erhalten und eine Zulage von 150 Euro pro Monat. Grund: Die Beamten und Angestellten hätten in den Sparjahren lange gedarbt, keine Gehaltserhöhungen erhalten, stünden im Ländervergleich immer noch schlecht da – was auch dazu führe, dass die Berliner Verwaltung neue Stellen nur schlecht besetzt bekommt. Von dem unverhofften Geldsegen wollen allerdings viele, viele Gruppen profitieren, der Streit darum ist gerade erst entbrannt. Der Geldtopf aber ist begrenzt. Und die Koalitionspartner könnten den Sozialdemokraten noch einen Strich durch die Rechnung machen – die Grünen nämlich halten zwar viel vom BVG-Ticket, aber nicht von der Mittelverteiligung nach dem „Gießkannenprinzip“.
- Schulen stärken: Die SPD stellt seit Mitte der 90er-Jahre ohne Unterbrechung den Bildungssenator. In diesem Jahr startete sie einige Kostenlos-Initiativen, die im Haushalt weiterfinanziert werden müssen, zum Beispiel das Gratis-Schulessen bis zur sechsten Klasse. Die Schulen aber beklagen: Sie haben oft Probleme, die neuen Esser unterzubringen, der Platz fehlt. Deshalb hat Bildungssenatorin Sandra Scheeres vorab dafür gesorgt, dass im Doppelhaushalt fünf Millionen Euro extra für ein Mensa-Programm eingestellt werden. Sauberer sollen die Schulen auch werden – 16 Millionen Euro zahlt das Land den Bezirken dafür jetzt zusätzlich. Ebenfalls neu und in 2020 und 2021 jeweils fünf Millionen Euro teuer: die „Berlin Challenge“. Hier können sich aus den Brennpunkt-Bezirken Mitte, Marzahn, Neukölln und Spandau jeweils vier Schulen bewerben, um zusätzliche Förderung zu erhalten und sich externes Personal holen, um Defizite auszugleichen.
