„Hey, fühlt sich an wie Mallorca“: So verbrachte Berlin den heißesten Tag
Es gibt zwei Arten, der Hitze zu begegnen: sich ihr stellen oder sich vor ihr verstecken. Wir waren mit Berlinern und Touristen am Wannsee und im Museum.

Eve befürchtet, dass sie keinen Strandkorb mehr bekommt. Die 27 Jahre alte Frau steht vor dem Strandbad Wannsee am Mittwoch in einer langen Schlange. Rund 70 Menschen stehen vor ihr am Tor, es ist 9.30 Uhr und erst in einer halben Stunde werden die Tore überhaupt geöffnet. „Ich habe hier noch nie so viele Menschen gesehen“, sagt Laura, 34, die soeben zusammen mit ihrer Freundin Eve angekommen ist. Sie wollen den heißesten Tag des Jahres am Wannsee verbringen. Warum? „Weil es der schönste Strand Berlins ist!“ Und: „Wegen der Strandkörbe!“
Der Mittwoch ist der heißeste Tag des Jahres. Man kann sich an Tausenden Orten an diesem Tag aufhalten. Im kühlen Büro, in der mäßig kühlen Wohnung. Wer frei hat, dessen Auswahl ist größer: Rein in die Hitze, zum Beispiel am Wannsee – oder bloß raus aus ihr, etwa in der Neuen Nationalgalerie. Zwei Möglichkeiten an diesem Tag.
Vor der Neuen Nationalgalerie gibt es keine Schlangen. Kurz nach 10 Uhr geht es zügig für alle die Treppen hinauf. Die Besucher drücken mit aller Kraft die schwere Drehtür zum Eingang. Sobald sie drinnen sind, entspannen sich die Gesichtszüge, sie tauchen in die angenehme Kühle der klimatisierten Galerie ein. Sie haben es geschafft.
Zur gleichen Zeit am Wannsee: Alle stürmen auf die Strandkörbe, legen ihre Handtücher und Beutel ab. Nur Minuten später sind die meisten schon im Wasser. Innerhalb kürzester Zeit entsteht das Bild, das sich den ganzen Tag nicht mehr ändern wird: Menschen spielen im flachen Wasser Frisbee, plantschen auf einer Gummimatratze, liegen unter Sonnenschirmen und Bäumen und reichen einander die Sonnencreme. Mittendrin sieht man manchmal auch Frauen und Männer, die in der prallen Sonne stehen und einfach nur lächelnd das Wasser anschauen.
Um 10.30 Uhr sind die Strandkörbe tatsächlich fast alle belegt. In einem liegen Leonie und Sophie. Die 15- und 16-Jährige sind schon eine Stunde vor Öffnung zum Tor gekommen. „Unsere Familien fahren dieses Jahr nirgendwo in den Urlaub“, sagt Leonie, „also ist der Wannsee die einzig gute Alternative.“ Sie wussten, dass es sehr heiß wird und deshalb wollten sie auf jeden Fall einen Strandkorb. „Bei 35 Grad ist der Sand kaum zu ertragen.“

In der Neuen Nationalgalerie verteilen sich die Besucher auf die verschiedenen Räume. Die Schweizerin Margret Hetschi ist nicht für die Klimaanlage gekommen, aber es passt ihr auch. „Ich bin jährlich in Berlin“, sagt sie, „das frischt meine Seele auf.“ Besuche in Kulturhäuser gehören dazu. „Mir geht es nicht gut in der prallen Sonne“, sagt sie. Am Dienstag war sie noch im Nikolaiviertel unterwegs, eine weitere Tradition für ihre Berlin-Besuche, aber es wurde ihr zu heiß. Sie musste sich bald ausruhen. Deshalb heute „Kandinsky, Dix und Co.“.
Am Mittag sind am Wannsee 155 Strandkörbe und 80 Sonnenschirme im Einsatz. Die Dänin Janne (50) und ihre Familie kamen zu spät. „Unser Sohn ist acht Jahre alt, also brauchen wir definitiv Schatten“, sagt sie. Sie schaut sich am Strand um und kommt ein paar Minuten später mit einem Mann zurück, der gerade seinen Sonnenschirm zurückbringen wollte. Sieht so aus, als hätten einige Leute mittags schon genug Sonne gehabt.

Roman, 42, hat gleich seine eigene Ausrüstung mit an den Strand genommen, weil Kinder von der Sonne geschützt werden müssen. „Ein Zelt ist perfekt für ein kleines Kind“, sagt er, „weil Strandkörbe oft zu hoch für sie sind.“ Er wollte eigentlich nach Mallorca fliegen. „Aber hey, jetzt fühlt es sich schon wie auf Mallorca an“, sagt er. Nur ein Mann braucht gar keinen Schatten. Florian, 38 Jahre alt, sagt: „Wenn es Strandwetter ist, dann will ich auch Sonne und mich bräunen.“
In der Neuen Nationalgalerie gibt es seit dieser Saison endlich auch wieder den Skulpturengarten. Die Hitze dort ist direkt und brutal, weder das Gebäude noch die Seitenwände noch die Ausstellungsstücke selbst bieten mittags einen Schatten. Einige Besucher wagen es, harte Kunstfans schreckt keine Hitze ab.
Am Nachmittag lieber ins KaDeWe
Touristin Judy kommt aus Kalifornien und sagt mitten in der Hitze: „Nur verrückte Hunde und Engländer gehen raus in der Mittagssonne.“ Die 84-Jährige ist gerade mit ihrer Nichte, Elise, 63, in Berlin zu Besuch. Sie kann nur ein paar Minuten in der Hitze aushalten. Aus ihrer Heimatsstaat Michigan sind ihr solche Temperaturen bekannt. Für den Nachmittag ist eine Reise ins KaDeWe vorgesehen.
Margret Hetschi sitzt am frühen Nachmittag auf einer gepolsterten Bank und schaut von innen auf den Skulpturengarten. Sie hat sich noch nicht entschieden. „Ich schaue noch, wie es mir geht“, sagt sie. Dabei ist sie vorbereitet: Sie hat einen cremefarbenen Regenschirm. „Den habe ich in Tokio gekauft.“ Damals, als sie ihn kaufte, hätte sie nicht gedacht, dass sie ihn einmal gegen die Sonne einsetzen würde. Sie mache sich schon Sorgen für die Zukunft, sagt Hetschi. „Ich glaube, in 50 Jahren wird unsere Welt ganz anders aussehen.“