Horror-Szenario: Das passiert, wenn in Berlin der Strom ausfällt

Für Frieder Kircher, leitender Branddirektor der Feuerwehr, steht fest: „Alles, was passieren kann, wird passieren“. Insofern ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann in Berlin flächendeckend der Strom ausfällt. Kein Stromversorger könne zu 100 Prozent garantieren, dass dieser Katastrophenfall nicht eintritt, sagt Kircher. „Dies wäre eine der schwierigsten Situationen, die Berlin zu bewältigen hätte.“

Ein Horrorszenario. Am Donnerstag war es Thema im Rathaus Zehlendorf. Es ging um ein Forschungsprojekt. Denn so ein Stromausfall hätte verheerende Folgen: Heimdialysepatienten oder Menschen, die zu Hause künstlich beatmet werden, wären sechs Stunden nach einem Black Out tot. „Nach einigen Stunden wird die Versorgung mit Wasser nicht mehr funktionieren, weil es nicht mehr in die höheren Stockwerke gepumpt werden kann. Ampeln fallen aus, das Benzin wird knapp. Auf der Straße, auf der Schiene, in der Luft und auf dem Wasser bricht der Verkehr zusammen“, sagt Birgitta Sticker, Sicherheitsexpertin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR).

2,6 Millionen vom Bund

Die Krankenhäuser würden überrannt, doch die seien nur über einen Zeitraum von 48 Stunden mit Notstrom versorgt, so dass die medizinische Behandlung kaum noch möglich wäre. Polizisten und Feuerwehrleute könnten nur eingeschränkt helfen. „Sie sind selbst betroffen, sie müssen erstmal zur Arbeit kommen“, sagt Sticker. Auch die Kommunikation würde zusammenbrechen. Handys könnten nicht mehr aufgeladen werden. Nach wenigen Tagen würden die Lebensmittel knapp, weil Supermärkte nicht mehr beliefert werden.

Berlin ist ebenso wenig wie andere Städte für diesen Katastrophenfall gerüstet. Daher haben das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, die Feuerwehr, die Charité sowie Hochschulen vor einem Jahr ein Verbundprojekt namens „Kat-Leuchttürme“ gestartet, um Maßnahmen für den schlimmsten, aber denkbaren Fall zu entwickeln, die auch auf andere Städte übertragbar wären.

Das Forschungsprojekt hat eine Laufzeit bis 2015 und wird mit 2,6 Millionen Euro vom Bundeswissenschaftsministerium gefördert. Bislang sind die Teilnehmer des Projekts im Wesentlichen zu zwei Ergebnissen gelangt: Ohne die Hilfe der Bevölkerung lassen sich die Folgen eines länger andauernden totalen Stromausfalls nicht bewältigen. Und zweitens braucht Berlin nach den Worten von Branddirektor Kircher wohnortnahe Anlaufstellen, also Leuchttürme für den Katastrophenfall, und das in dreistelliger Zahl. „Die üblichen Kommunikationsmittel funktionieren dann nicht mehr. Aber es ist extrem wichtig, die Bevölkerung mit Informationen zu versorgen, allein schon, um Gerüchten entgegenzuwirken“, sagt Kircher.

Tipp: Lebensmittel bunkern

Dabei gehe es um Fragen, wo es Ausgabestellen für Lebensmittel oder Medikamente gebe, welche Notunterkünfte zur Verfügung stünden – und auf welche Weise hilfsbereite Bürger selbst eingesetzt werden könnten, um etwa handwerkliche Arbeiten zu übernehmen oder fremde Personen bei sich aufzunehmen. In den Leuchttürmen könnten auch Vorräte getauscht werden. Solche Anlaufstellen, die unter anderem in den Bezirksämtern geschaffen werden sollen, können im Notfall ebenso wie Krankenhäuser, Polizeiwachen oder Feuerwehrleitstellen direkt von Kraftstofferzeugern beliefert werden, damit die Notstromversorgung gewährleistet ist.

In einem Feldversuch werden nun im Rathaus Zehlendorf und im Uniklinikum Benjamin Franklin der Charité Katastrophenschutz-Leuchttürme eingerichtet und technische Lösungen etwa für die Vernetzung der Notstromversorgung zwischen den Anlaufstellen entwickelt. Auch Mitarbeiter sollen geschult werden, wie sie sich auf den Ernstfall vorbereiten können.

Drei Höchstspannungsleitungen versorgen Berlin mit Strom. Sollten einmal alle ausfallen, sei es „höchst schwierig, die Stadt wieder flächendeckend ans Netz zu bringen“, sagt Ingo Schwensien von der technischen Beratungsfirma Time Kontor, die das Verbundprojekt koordiniert. „Es gäbe große Schwankungen zwischen abgenommenem und erzeugtem Strom, so dass nur ein Inselbetrieb in einzelnen Regionen möglich wäre, in denen es immer mal wieder Strom gibt“, sagt er.

Den Bürgern bleibt nur wenig, um sich für einen möglichen Stromausfall zu wappnen. „Sie sollten sich Lebensmittelvorräte für eine Woche anlegen“, empfiehlt Hochschuldozentin Birgitta Sticker – und räumt zugleich ein, dass dies angesichts des beengten Platzes in den Wohnungen kein besonders alltagstauglicher Rat ist.