Am Regionalbahnhof Park Sanssouci gibt es ein Lokal, das den Namen „Bürgerbahnhof“ trägt. Schon der Begriff wärmt und erzählt davon, für wen diese Orte da sind. Für Reisende, Menschen in Bewegung, ob sie sich nun als Bürger empfinden oder nicht. Da Reisen und jede Art von Bewegung jedoch immer auch Warten, Verweilen und die verschiedensten Sorten von Pausen bedeutet, braucht es Räume, in denen man das kann. An den meisten Bahnhöfen vermisst man diese Räume, ihre Gestaltung folgt dem Diktat der Zweckmäßigkeit und des Konsums. Über das „Schiffchen“ am Düsseldorfer Hauptbahnhof habe ich an dieser Stelle bereits einmal geschrieben, seit einigen Wochen weiß ich, dass auch Hamburg auf ein Bahnhofslokal stolz sein kann, das die Menschen aufnimmt, statt sie durchzuschleusen.
Alle Menschen, das macht ein solcher Ort aus. Alte und junge und ganz kleine Leute aus allen Schichten und mit verschiedensten Vorlieben. Nun, alle Wünsche kann das Lokal nicht erfüllen. Wer viel Platz und Ruhe braucht, wird auf dem Absatz umkehren. Es ist voll und recht laut. Unter das Geklapper von Besteck und den Gesang der Gläser mischen sich Kinderstimmen, Gelächter und manch eine Beschwerde. Es wird diskutiert und geplaudert.
Meistgelesene Artikel
Obwohl der nächste Regionalzug nach Berlin in 25 Minuten fährt, wie mir die Bahnhofsuhr über dem Tresen erzählt, bestelle ich ein Glas Rotwein. Es ist ja nicht der letzte. Aber das erste Mal seit langem, dass ich in einem Bahnhofslokal sitze und mich gar nicht wie auf der Durchreise fühle. Man vergisst die Gleise und den Bahnsteig an diesem Ort. Niemand hier scheint gestrandet, in Erwartung des Kommenden oder in Erinnerung an Erlebtes versunken. Keine Koffer versperren die Gänge zwischen den Tischen. In ihnen wohnt die Gegenwart und hat das Geschehen fest im Griff. Der Wein schmeckt schlicht, aber nicht schlecht, süffig. Er passt zu den Gerichten, die um mich herum von behänden Kellnerinnen aufgetragen werden. Viel Fleisch liegt auf den Tellern. Dazu trinken fast alle Bier.
Das Kind möchte nichts trinken, dafür eine der Brezeln, die an einem Ständer auf der Bar baumeln. Es drängelt ein wenig, will auf keinen Fall den Zug verpassen. Aber verpasst man etwas, wenn man bei einem Glas Wein der Gegenwart beim Sein zusehen kann? Irgendwann werde ich das dem Kind erklären. Heute ist es für die Zukunft zuständig, wenigstens für die unmittelbar eintretende. Sie naht in einem Zug.