Immobilien in Berlin: Bürger kaufen ihr Rathaus
Sie veranstalten ehrenamtlich Kulturfestivals und Straßenfeste, sie demonstrieren regelmäßig gegen Flugrouten über ihren Häusern und mischen sich auch sonst gern in politische Entscheidungen ein: Die Bewohner von Friedrichshagen, dem idyllisch gelegenen Ortsteil am Müggelsee im Südwesten Berlins, sind ein engagiertes Völkchen. Jetzt werden etliche von ihnen sogar Investoren – ein Zusammenschluss von Vereinen und Initiativen will das Rathaus Friedrichshagen an der Bölschestraße vom Land kaufen. Die Kaufverhandlungen laufen.
„Wir möchten, dass das Haus von Anwohnern genutzt wird und nicht zur Luxuswohnanlage für wenige wird“, sagt Tobias Apelt, einer der Initiatoren. Apelt betreibt das Seebad Friedrichshagen und zwei Strandbars. Und er ist Chef der örtlichen Werbegemeinschaft, einem Zusammenschluss von knapp 60 Händlern und Gewerbetreibenden. Mit ihrem Konzept für eine öffentliche Nutzung des einstigen Rathauses überzeugten sie die Politiker. Der Bürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel (SPD), glaubt an den Erfolg: „Sie werden es schaffen, aus dem Haus einen Ort für die Friedrichshagener zu machen.“
Drei Millionen Euro Verkehrswert
Das im Stil der Spätgotik erbaute Gebäude, eines der Wahrzeichen des Ortsteils, war nur zwischen 1916 und 1920 ein Rathaus, als Friedrichshagen eigenständig war. Nach der Eingemeindung nach Groß-Berlin war das Haus Dienstsitz der Verwaltung und seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine Polizeiwache. Seit gut einem Jahr steht es leer, die Polizei ist woanders konzentriert. Auf Drängen der Bezirkspolitik bietet der Liegenschaftsfonds das Haus nun den Bürgern zum Verkehrswert an. Der beträgt, inklusive aller notwendiger Investitionen, rund drei Millionen Euro.
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Nun leben im bürgerlich-dörflichen Friedrichshagen mit seinen Jugendstilvillen im Grünen nicht die Ärmsten der Stadt, aber eben auch keine Superreichen. Deshalb werden Unterstützer gesucht, sozusagen viele Investoren. Eine Bank will zwar einen Kredit geben, aber ohne Bürgerengagement wird der Kauf nicht gehen. „Wir haben eine GmbH als Kommanditgesellschaft gegründet und brauchen noch Gesellschafter“, sagt Apelt. „Ratsmitglied“ kann man mit einer Einlage ab 5.000 Euro werden. Auch die künftigen Mieter der Rathausräume sollen Gesellschafter sein. Und man sucht Menschen, die ihr Geld lieber in Bürgerprojekten als bei Banken anlegen. Das Interesse sei groß, sagt Apelt.
Kita soll aufs Gelände ziehen
Auch an potenziellen Nutzern mangelt es nicht. Fest steht, dass eine Kita aufs Gelände ziehen soll. Platz wäre auch für den Kiezklub Vital, der neue Räume sucht, für die Musikschule und ein temporäres Bürgeramt. Und für eine Agentur, die Veranstaltungen im Haus aquiriert. Sogar für die Polizei soll ein Raum reserviert werden, dort könnten die Beamten ihren Pausenkaffee trinken. Der ehemalige Ratskeller soll wieder eine Gaststätte werden. Apelt: „Wir möchten auch, dass das Standesamt eine Außenstelle bei uns einrichtet.“ Repräsentative Räume gibt es reichlich. So zum Beispiel den alten Ratssaal, der vor einigen Jahren saniert wurde. Dabei wurde ein Wandgemälde freigelegt, das Preußenkönig Friedrich II. zeigt. Der hatte den Ortsteil 1753 gegründet. Apelt: „Unser Ziel ist es, das 260. Ortsjubiläum im nächsten Jahr in unserem Rathaus zu feiern.“