Berlin: Vonovia stoppt Neubau von 1500 Wohnungen

Deutschlands größter Vermieter begründet den Schritt mit gestiegenen Kosten. Kritik kommt vom Berliner Mieterverein. Die Linke fordert die Vergesellschaftung.

Die Firmenzentrale der Vonovia in Bochum
Die Firmenzentrale der Vonovia in BochumMarcel Kusch/dpa

Deutschlands größter Wohnkonzern Vonovia tritt beim Neubau auf die Bremse. In diesem Jahr will das Unternehmen keine Neubauprojekte mehr starten. Betroffen davon seien vor allem Planungen in Berlin und Dresden, sagte Vonovia-Vorstand Daniel Riedl im Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Als Gründe nannte Riedl die Inflation und die gestiegenen Zinsen. Davor könne Vonovia nicht die Augen verschließen.

„Wir hätten in diesem Jahr schon eine signifikante Zahl von Baustarts zum Beispiel in Berlin oder Dresden gehabt und haben sie nach hinten verschoben – so wie es die meisten Bauträger aktuell tun“, sagte Riedl der WAZ. „Bei Objekten, die wir früher für zwölf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter anbieten konnten, müssten wir jetzt eher Richtung 20 Euro gehen, um unsere Kosten von 5000 Euro pro Quadratmeter hereinzuholen“, sagte der Vonovia-Manager. Diese Mieten seien in weiten Teilen Deutschlands „völlig unrealistisch“.

„Wir haben in Berlin bei Projekten im Umfang von rund 1500 Wohnungen den operativen Baustart geschoben, bis die Rahmenbedingungen wieder besser sind“, erklärte ein Vonovia-Sprecher gegenüber der Berliner Zeitung. Diese Projekte seien über die ganze Stadt verteilt. „Aber wir lassen den Bleistift nicht fallen“, betonte der Sprecher. „Die Kolleginnen und Kollegen entwickeln die Projekte weiter und stellen möglichst weitgehend Baureife her.“ Die von Vonovia gemachten Zusagen zum Neubau-Bündnis mit dem Senat stünden nicht grundsätzlich infrage, es handele sich ja um „einen Aufschub eines kleinen Teils der geplanten Neubauten“.

Der Berliner Mieterverein (BMV) sieht seine kritische Haltung gegenüber Vonovia bestätigt. „Die Ankündigung von Vonovia überrascht uns nicht“, erklärte BMV-Geschäftsführer Sebastian Bartels. Zum einen sei deren Geschäftsmodell, ebenso wie das der anderen börsennotierten Wohnungskonzerne, ohnehin nicht auf Wohnungsbau im nennenswertem Umfang ausgerichtet – erst recht nicht auf Sozialwohnungen. Zum anderen zeige die Ankündigung, dass auf die großen Player gerade in Krisenzeiten kein Verlass sei. 

Die Ampelkoalition müsse daraus eine Lehre ziehen und dringend ein Gesetz zur neuen Wohnungsgemeinnützigkeit einführen. Nur so könne vermieden werden, dass den Privaten „immer höhere Fördergelder hinterhergeworfen werden“, anstatt diejenigen Akteure steuerlich und finanziell zu unterstützen, die sich im sozial gebundenen Wohnungsbau dauerhaft engagieren möchten.

Linke-Chefin Wissler: „Ein Totalausfall“

Linke-Chefin Janine Wissler erklärte gegenüber der Berliner Zeitung: „Wer Bauland brach liegen lässt, weil die erwartete Rendite zu niedrig ist, kann kein verlässlicher Partner für die Wohnungspolitik sein.“ Die privaten Immobilienkonzerne seien „ein Totalausfall für die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum“, so Wissler. „Durch Aufkäufe, Luxussanierungen und Mieterhöhungen vernichten sie bezahlbaren Wohnraum, statt welchen zu schaffen.“ Der Markt scheitere dramatisch beim Wohnungsbau. „Wohnungsbau muss in öffentlicher und gemeinnütziger Hand erfolgen“, so Wissler. Für Berlin zeige sich: Ausreichendes Bauen gehe nur „mit enteignen“. Der Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co enteignen müsse schnellstmöglich umgesetzt werden, „um große Wohnungsbestände der Profitlogik zu entziehen und Bauland für den öffentlichen Wohnungsbau verfügbar zu machen“.

Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger sagte: „Schon das Wohnungsbündnis hat offenbart, dass Vonovia und Co zum Schaden der Mieter:innen weiterhin auf ihre Geschäftsmodelle setzen.“ Immer noch gebe es „keine Transparenz zu überhöhten Nebenkosten, und Instandhaltungen werden vernachlässigt“. Trotz Krise seien die Mieten erhöht und zum großen Teil als Dividenden an Aktionäre ausgezahlt worden – nur ein geringer Anteil sei in Neubau und Modernisierung geflossen. „Wir brauchen Akteure auf dem Wohnungsmarkt, die für die Menschen bauen. Nicht für die Rendite“, so Schmidberger. „Dazu gehören kommunale Gesellschaften und Genossenschaften.“ Diese müssten gestärkt werden, statt Vonovia und Co weiter zu hofieren.

FDP-Abgeordneter zeigt Verständnis und kritisiert den Senat

Der FDP-Abgeordnete Björn Jotzo zeigt Verständnis für Vonovia. „Gestiegene Baukosten und Inflation machen das Bauen und Vermieten unrentabler“, sagte er. Die Entscheidung von Vonovia sei kein Einzelfall und treffe nicht nur die Wohnungsuchenden hart, sondern auch den rot-grün-roten Senat. „Sechs Jahre lang hat er sich auf das Verhindern und Verschleppen von Investitionen konzentriert, statt das günstige Zinsumfeld zu nutzen, um die dringend benötigten Wohnungen zu errichten“, so Jotzo. „Der neue Senat muss nun ein günstiges Investitionsumfeld schaffen, um die Wohnungsnot in den Griff zu bekommen.“ Dazu gehörten ein massiv erweitertes Förderprogramm für sozialen Wohnraum und die Abgabe landeseigener Grundstücke an Genossenschaften.

In Anspielung auf Äußerungen von Vergesellschaftungsgegnern, dass Enteignung keine neuen Wohnungen schaffe, teilte der Linke-Abgeordnete Niklas Schenker auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit: „Nicht enteignen schafft anscheinend auch keine neue Wohnung.“