In Berlin werden doppelt so viele Wohnungen gebaut wie vor zwei Jahren

Vor knapp zwei Jahren war Grundsteinlegung, dieser Tage wurde Richtfest gefeiert: 119 Wohnungen entstehen im Norden von Neukölln, auf dem Gebiet südlich des Hermannplatzes. Im Herbst sollen die ersten Wohnungen übergeben werden, sagt Roman Freytag, Kaufmännischer Leiter, der Casada GmbH, die das Grundstück zwischen Jobcenter und ehemaliger Kindl-Brauerei bebaut. Zur Freude auch von Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey, die in dem Vorhaben ein sichtbares Zeichen für die dynamische Entwicklung Neuköllns sieht: „Hier entstehen die Wohnungen, die wir dringend brauchen.“

Vor allem für Mieter

Es ist wahrlich nicht die einzige Baustelle für Wohnungen in Berlin, aber auch der Bedarf ist riesig. Zum einen ziehen immer mehr Menschen nach Berlin, weshalb die Bevölkerungszahl weiter ansteigt. In den letzten drei Jahren wuchs die Stadt um rund 144.000 Einwohner, berichtet die IBB in ihrem aktuellen Wohnungsmarktreport. Das entspricht immerhin einem Einwohnerzuwachs in der Größenordnung einer Großstadt wie Regensburg (rund 155.000). Sie alle brauchen Wohnungen.

Zudem müssten in absehbarer Zeit Zehntausende Flüchtlinge ebenfalls in „stabile Wohnsituationen jenseits der Gemeinschaftsunterkünfte gebracht“ werden, so die IBB. Zum anderen vergrößert der Trend zu immer kleineren Haushalten die Nachfrage, sodass eine Ausweitung des Wohnungsangebots dringend geboten ist. Und ohne den Zuwachs im Wohnungsbestand dürften die Preise und die Mieten noch schneller steigen.

Insofern ist es erfreulich, dass die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen im vergangenen Jahr deutlich gestiegen ist. Nach Angaben des Statistikamtes Berlin-Brandenburg haben die Bauaufsichtsbehörden im vergangenen Jahr insgesamt 22.365 Wohnungen genehmigt. Zum Vorjahr ist das ein Plus von 16,5 Prozent. „Die Zahl der im Jahr 2015 genehmigten Wohnungen nähert sich damit dem Niveau der 90er-Bauboom-Jahre“, sagen die Statistiker. Von dem Maximum aus dem Jahr 1995 – damals wurden fast 30.000 Wohnungen genehmigt – ist Berlin noch weit entfernt. Allerdings waren das noch Jahre, in denen die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten über die Sonderabschreibungen Ost eine überhitzte Sonderkonjunktur am Bau auslösten.

In diesen drei Bezirken werden sich in der Folgzeit die stärksten Bauaktivitäten entfalten: Auf Treptow-Köpenick, Mitte und Lichtenberg entfallen die meisten, nämlich die Hälfte aller Wohnungsbaugenehmigungen. Wie das Statistik-Amt weiter mitteilte, werden von den beantragten Wohnungen knapp 18.000 als Neubauten entstehen, was ein Plus von fast zehn Prozent im Vergleich zum Jahr 2014 bedeutet. Ein Drittel der Neubauwohnungen seien als Eigentumswohnungen geplant worden. Fast 16.000 Wohnungen werden in Mehrfamilienhäusern gebaut.

Aber auch die vorhandenen Potenziale in bestehenden Gebäuden werden viel stärker genutzt. Zum Beispiel durch den Ausbau von Dachgeschossen werden dem Wohnungsmarkt insgesamt weitere 4430 Wohnungen zur Verfügung stehen. Das ist glatt die Hälfte mehr als noch im Vorjahr. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel sieht außerdem ein großes Potenzial im Dach-Ausbau: Bis zu 50.000 neue Wohnungen seien möglich.

Damit zeigt der Trend weiter steil nach oben. Noch in den Jahren 2006 bis 2010 lag die Zahl der genehmigten Wohnungen nur bei 5000 im Jahr oder leicht darüber. Erst 2013 lag sie deutlich über der Marke von 10.000. Die Entwicklung bei den Genehmigungen spiegelt sich – natürlich zeitversetzt – auch im realen Baugeschehen wider. 2014 wurden insgesamt 8744 Wohnungen fertiggestellt, das war schon ein Drittel mehr als im Jahr davor.

Die Bauwirtschaft kann gut mit dem Anstieg leben, schließlich ist es ihr Geschäft, ihr Umsatz, ihr Gewinn – und für die Mitarbeiter bedeutet es Beschäftigung und damit Verdienst. Die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg verweist auf den anhaltenden Schub für die Branchenkonjunktur, den der Wohnungsbau verschafft. Allein in Berlin stieg demnach der Umsatz im Wohnungsbau 2015 um 18,5 Prozent. Der Auftragseingang ging im Vergleich zum Jahr 2014 um fast zehn Prozent nach oben. Und ebenso habe sich der Arbeitsmarkt belebt.

Engpässe in der Verwaltung

„Die gute Situation freut uns“, sagt Reinhold Dellmann, Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau, der Berliner Zeitung. „Sie darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir mit Bearbeitungsengpässen in der öffentlichen Verwaltung zu kämpfen haben.“ Gerade mit Blick auf den Boom am Wohnungsmarkt und die wachsende Stadt müsse die öffentliche Verwaltung „personell so ausgestattet werden, dass die Vielzahl an Ausschreibungen auch bewältigt werden kann“. Hier sieht die Fachgemeinschaft Bau, die rund 900 Mitgliedsfirmen in der Region vertritt, „momentan großen Handlungsbedarf“. Zudem plädiert Dellmann dafür, die Standards und Vorschriften am Bau nicht zu verkomplizieren, weil dadurch die Wohnungen teurer werden. Insbesondere beim Bau von temporären, modularen Wohneinheiten sei die Fachgemeinschaft Bau „offen für eine Abweichung von unseren zum Teil sehr hohen Standards“. So könne schneller und effektiver gebaut werden.

Für das Jahr 2015 liegen noch nicht die detaillierten Zahlen vor, wie viele Wohnungen tatsächlich gebaut wurden. Es könnten bis zu 15.000 sein, womit das Doppelte von 2014 erreicht wäre.