Neues aus dem Corona-Wald: Infizierte werden einfach abgeleckt

In diesen Tagen erwachen die Waldameisen. Die zweite Corona-Welle haben sie glatt verpennt. Der Mensch kann auch sonst noch einiges von ihnen lernen.

Gerade entdeckt: Ameisen im Wald bei der sogenannten Sonnung. Nach dem langen Winter wärmen sie sich gemeinsam auf, um ins neue Jahr starten zu können.
Gerade entdeckt: Ameisen im Wald bei der sogenannten Sonnung. Nach dem langen Winter wärmen sie sich gemeinsam auf, um ins neue Jahr starten zu können.Torsten Harmsen

Berlin-Bei einem meiner Corona-Spaziergänge kam ich im Wald mal wieder an dem Ameisenhügel vorbei, den ich seit langem beobachte. Den Winter lang hatte er flach und tot gewirkt. Doch plötzlich drängten sich dort Hunderte Ameisen in der Sonne. So dicht, dass ich dachte: „Eigentlich müsste man jetzt die Waldpolizei holen. Von Abstand kann hier gar keine Rede sein.“ So blöd ist man schon wegen Corona.

Sonnung nennt sich das Ganze, wie ich gelesen habe. Ein schönes Konzept. Denn das Volk der Ameisen hat in den vergangenen Monaten tief unter der Erde geschlummert, in Kältestarre. Nur einige Ameisen – Weckerinnen genannt – dösten in den oberen Schichten des Baus. Und als die Sonne wieder höher stieg und die Luft sich erwärmte, krabbelten sie tief ins Nest hinein und trugen die noch starren Ameisen heraus – eine nach der anderen. Zur großen Sonnung!

Die Weck-Schwestern auf dem Balkon

Ich kann mir die Szene auch sehr gut bei den Menschen vorstellen, in einem Berliner Wohngebiet: Alles ist still. Nur auf einigen Balkons sitzen ein paar Weck-Schwestern und trinken Kaffee. „Mööönsch, ist dit langweilich. Ick werde schon langsam unruhich“, sagt die eine. – „Ja, du machst ma richtich kirre mit deine Zappelei“, sagt die andere. – „Kiekt ma: Die Sonne scheint mir schon voll int Jesichte. Ick gloobe, et wird Frühling“ – „Na denn los, packen waa’t an. Auf zur Sonnung!“

Die kräftigen Schwestern ziehen los, in die Häuser, durch alle Flure und Zimmer. Sie schleppen die Leute nacheinander heraus und wuchten sie draußen auf Matratzen und Liegestühle. Dort liegen sie nun, werden langsam warm, blinzeln mit den Äuglein und fragen: „Wo bin ick?“ – „Hat dit neue Jahr schon bejonnen?“ – „Menno, lass ma noch chillen!“

Eigentlich sind die Leute ja zu beneiden, denn sie haben alles verschlafen: Weihnachten, Silvester, Schneetreiben – und vor allem Corona. Kein Homeoffice, kein Homeschooling, keine Kanzlerrunden, keine Talkshows und kein Impfdesaster. Einkaufen, essen, heizen – alles fiel weg. 

Bei den Ameisen ist es so, dass sie die Wärme, die sie bei der Sonnung aufnehmen, tief ins Nest hineintragen. Wenn sich alles aufgewärmt hat, kann das Jahr losgehen: Frühjahrsputz, Hochzeitsflug, fröhliches Eierlegen, Häuslebauerei – im Grunde ist es wie bei den Menschen, nur eben ohne Corona.

Wie Ameisen mit Infektionen umgehen

Zugegeben, auch bei Ameisen gibt es Infektionen. Und Forscher der englischen University of Bristol haben herausgefunden, wie sich die Ameisen vor deren Verbreitung schützen. Hier einiges dazu: Ameisen erkennen Infektionen oder Pilzbefall am Geruch. Erkrankte isolieren sich selbst, halten sich von der Kolonie fern. Junge Ameisen, die sich um Brut und Königin kümmern, verlassen das Nest gar nicht mehr. Alte Ameisen dagegen ziehen aus, um die Kranken zu füttern und zu heilen. Um den Krankheitsherd zu vernichten, lecken sie zum Beispiel die infizierten Tiere ab.

Das muss man sich mal vorstellen: Man bekommt Corona, und der Arzt leckt einen von oben bis unten ab. Dann lieber impfen lassen! Und zwar recht bald.