Marode Schießstände : Innenverwaltung bezeichnet ihre Polizisten als „militant“
In der Schießstand-Affäre der Berliner Polizei werden die Betroffenen mit abfälligen Worten abgekanzelt. Die Beamten schießen nun zurück.

Berlin - In der Affäre um die maroden Schießstände der Berliner Polizei ist eine neue Eskalationsstufe erreicht. Mit scharfen Worten haben betroffene Polizisten am Donnerstag auf abfällige Äußerungen aus der Innenverwaltung reagiert, wonach sie „militant“ seien.
„Verdienten Polizisten zu unterstellen, sie wären militant, ist ein Angriff auf unsere Ehre und ethischen und sozialen Werte, die wir zur Erfüllung unserer sozialen und gesetzlichen Rolle sowohl als Staatsdiener als auch als Interessenvertreter für unser sittliches Verhalten gewählt haben und leben“, erklärte die Interessengemeinschaft von betroffenen Polizisten Biss e.V. am Donnerstag.

Schießtrainer der Polizei, SEK-Beamte und Personenschützer, die regelmäßig auf den maroden Schießständen der Berliner Polizei sein mussten, hatten jahrelang schwermetallhaltige Pulverdämpfe eingeatmet, weil die Entlüftungsanlagen nicht richtig funktionierten. Inzwischen klagen viele über Gesundheitsbeschwerden. Einige sind an Krebs erkrankt, einige inzwischen daran gestorben.
Innensenator legte Entschädigungsfonds auf
Die Schießanlagen werden inzwischen erneuert, und Innensenator Andreas Geisel (SPD) ließ einen Ausgleichsfonds auflegen, aus dem betroffene „Vielschießer“ Entschädigungszahlungen erhalten. Wer wie viel bekommt, darüber entscheidet eine laut Geisel unabhängige Bewertungskommission. Kritiker, darunter Oppositionspolitiker und der BISS eV., halten die Entscheidungen für die Entschädigungszahlen jedoch für intransparent.
Die Unabhängigkeit der Bewertungskommission wird inzwischen stark in Zweifel gezogen. In einem vom Innensenator gegengezeichneten Vermerk vom 27. Februar, wie mit den Antragstellern umgegangen werden soll, behauptet eine Mitarbeiterin der Verwaltung, dass „das Thema mit zum Teil falschen Informationen befeuert“ worden sei, um die „Sinnhaftigkeit des Ausgleichsfonds zu hinterfragen“.
„Besserwisserische Uneinsichtigkeit und Ignoranz“
Der Vermerk enthält auch eine Stellungnahme der Vorsitzenden der Bewertungskommission, Monika Paulat, die früher einmal Präsidentin des Landessozialgerichts war. Sie spricht von einer überschaubaren Gruppe „hochgradig Unzufriedener“, wirft ihnen „besserwisserische Uneinsichtigkeit und Ignoranz“ vor. Ihre Selbstüberzeugtheit dürfe nicht das gesamte Projekt überschatten. Und sie formuliert: „Die – ich denke, der Begriff ist durchaus angebracht – Militanz der Interessenvertreter ggü. dem Senator, inzw. ggü. der Komm. (Kommission d. Red.), die auch in die Öffentlichkeit getragen wird, sollte nicht verallgemeinert werden.“ Weiter heißt es: „Und das es Enttäuschte geben würde, ist nichts Besonderes. besonders ist nur die extreme Art und Weise, in der dies hier zum Ausdruck gebracht wird (gern aufgegriffen von der Opposition und den Medien).“
Bernd Grigoleit, Vorsitzender des Biss e.V., erklärte: „Wir sind Polizeibeamte, die jahrelang in Grenzbereiche polizeilicher Lagebewältigungen gegangen sind, die Polizisten ausbilden, die als Personenschützer täglich ihr Leben riskieren, die einen Eid auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung abgelegt haben. Uns als militant zu bezeichnen, ist absurd.“ In den Gesprächen zwischen der Bewertungskommission und Biss seien in ruhiger, entspannter Atmosphäre Argumente ausgetauscht worden. „Es kam nie zu Auffälligkeiten, die unter dem Begriff „Militanz“ zu subsumieren wären“, so Grigoleit. Er forderte von Paulat Beweise für die Behauptungen.