Interview mit dem Schiller-Burger-Chef : Berlin ist die Hauptstadt der Burger
Der Chili-Cheeseburger heißt „Wallenstein“, der vegetarische Burger „Wilhelm Tell“ und der Burger mit Mozzarella „Maria Stuart“. Bei Ali Cengiz (49) und seinen Schiller-Burger-Läden gibt es Burger mit Literatur-Beigeschmack. Angefangen hat alles im Neuköllner Schiller-Kiez, mittlerweile ist er Chef von acht Läden. Zum Gespräch über den Burger-Boom, Gentrifizierung und seine Erfahrung als Migrantenkind lädt Cengiz in sein Büro in der Herrfurthstraße. Dort ist das Unternehmen mehrfach präsent: Es gibt einen Schiller-Burger-Laden, die Schiller-Bäckerei und das Restaurant Wilhelm Tell.
Burgermeister, Burgeramt, Kreuzburger und Schiller Burger – woher kommt die neue Lust auf Burger?
Das hat viel damit zu tun, dass die Leute auf einfache Sachen Bock haben. Essen auf die Hand. Die Leute arbeiten immer mehr, die Singles werden immer mehr, zu Hause wird immer weniger gekocht. Auch Fehler unserer Konkurrenten, wie Hygieneprobleme, haben dazu beigetragen. Da trennen die Leute zwischen guten und schlechten Burgern. Die großen Läden werden mit schlechten Burgern in Verbindung gebracht und die kleinen mit den guten.
Wann ging der Burger-Boom los?
2010 ungefähr. Da haben die ersten Läden aufgemacht.
Aber warum ausgerechnet Burger?
Es ist eben sehr vereinfachtes Essen. Da ist Fleisch, da ist Brot – mehr ist es eigentlich nicht.
Wirklich nicht?
Nun, beim Essen ging es immer auch um Fernweh. In den 50er- und 60er-Jahren war es zum Beispiel Italien: überall Pizzerien, mit Spaghetti und diesem herrlichen Lambrusco, und in den 70er- und 80er-Jahren kamen in Berlin die amerikanischen Diner, wie Jimmy’s Diner. Jetzt beginnt die Rückbesinnung auf regionale Speisen. Wir schaffen den Spagat aus Fernweh und Regionalität.
Wie sind Sie auf Burger gekommen?
Ich habe seit 2010 mit Philip Entekhabi herumprobiert und Burger gebraten. Philip war damals Küchenchef bei mir in der Morena Bar. Ich wollte gerne einen kleineren Laden machen. Irgendwann habe ich die Räume im Schiller-Kiez entdeckt, und dann ging es los.
Was war da vorher?
Eine Bäckerei von einer türkischen Familie.
Was ist an Ihren Burgern besonders?
Das selbst gebackene Brötchen, das gab es bis dahin so nicht auf dem Markt. Und die Süßkartoffel-Pommes. Dadurch sind die ganzen Mädchen zu uns gekommen. Wir hatten auch von Anfang an die vegetarische Schiene, auch vegan. Damit ist man vorne dabei. Und bei uns ist alles selbst gemacht, mit Ausnahme der Süßkartoffel-Pommes. Das klappte nicht so gut.
Warum die vegetarische Schiene? Waren Vegetarier beim Start dabei?
Nein. Eher aus Imagegründen. Berlin ist die Hauptstadt der Vegetarier. Uns war bewusst, dass wir hier die Vegetarier und Veganer mitnehmen müssen. Wir haben vier vegetarische Burger – und die Patties machen wir alle selber. Das hat uns viele Sympathien gebracht.
Was macht einen guten Burger aus?
Das Brot. Das Fleisch. Die Dosierung der Soßen und der Salate. Es gibt ja Burger, die sind einen Meter hoch, die rutschen weg und wenn man sie gegessen hat, sieht man aus wie Sau. Für mich muss ein Burger so sein, dass man ihn noch in die Hand und den Mund nehmen kann. Fürs Brot haben wir einen hochdekorierten Bäckermeister. Und beim Fleisch ist es sehr wichtig, welche Zutaten drin sind, außerdem der Fettanteil und die Körnung. Bei uns ist es Fleisch vom Jungbullen. Das schmeckt zarter.
Ist das dann noch Fast Food?
Wir nennen das Good Food. Das ist in Berlin der absolute Trend. Man geht nicht mehr in einen Pizzaladen und isst da vielleicht Schnitzel Milanese oder was anderes. Im Pizzaladen isst man gute Pizza. Im Sushi-Laden Sushi. Der Trend geht zu hoch spezialisierten Restaurants.
Fast Food – das heißt billig und schnell. Beides sind Sie nicht: Der teuerste Burger kostet 7,50 Euro, bei rund 15 Minuten Wartezeit.
Fast Food sind türkische Döner-Läden und Imbissbuden. Das kann man mit uns nicht vergleichen. 15 Minuten Wartezeit sind bei uns absolut okay, weil alles frisch zubereitet wird. Die Leute sind bereit, den Preis zu bezahlen, wenn sie wissen, da ist Qualität drin.
Schiller Burger versteht sich als „Kiezburger“. Was heißt das?
Wir sagen: Wir sind einer von euch. Das ist die Botschaft, die uns abgrenzt von anderen Burgerläden.
Ist das mehr als ein Marketinggag?
Ja. Wir gehen bewusst in die Kieze. Anfangs war es vielleicht ein bisschen Marketing, auch weil wir kein Geld hatten. Tolle große Läden konnten wir uns gar nicht leisten. Dann haben wir daraus eine Strategie gemacht. Wir meiden die großen, teuren Straßen und wollen nicht an den Kurfürstendamm oder die Friedrichstraße. Wir gehen nach Weißensee und Marzahn.
Wir sind einer von euch? Begeistert wurden Sie 2012 in Neukölln nicht empfangen. Es gab Farbattacken auf Ihre Läden im Schiller-Kiez.
Ja, am ersten Tag. Aber das ist vorbei. Es ist sehr schade, weil ich selbst ein Linker bin, seit rund 25 Jahren in der SPD, und dann wird man da von den eigenen Leuten angegriffen. Die kannten uns gar nicht. Meine Freundin wurde bedroht. Aber letzten Endes hat es uns geholfen. Der Kiez hat sich mit uns solidarisiert.
Lesen Sie im nächsten Abschnitt, was Cengiz zum Ost-West-Unterschied beim Fastfood zu sagen hat.