Interview mit VBB-Chefin Susanne Henckel: Ab Januar könnten in Berlin die Fahrpreise steigen

Berlin - Von ihrem Büro im Hochhaus am Hardenbergplatz hat Susanne Henckel eine gute Sicht auf den Bahnhof Zoo. Ein Zug nach dem anderen verlässt die Station, alles rollt nach Plan. Doch wie viele Fahrten künftig finanziert werden können, ist ungewiss, sagt die Geschäftsführerin des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB), die im März 2014 ihr Amt antrat. Als Ausgleich zur Arbeit fährt Susanne Henckel Rad. Ihr Helm liegt griffbereit im Zimmer.

Frau Henckel, Sie kommen gern mit dem Fahrrad zur Arbeit. Nehmen Sie es auch mit in die Bahn?

Ja, klar! Ich finde es wunderbar, am Wochenende die Vielfalt in Brandenburg zu entdecken. Ich finde den Spreewald schön, aber auch Potsdam, das Havelland, Lehnin.

Bei gutem Wetter wird es in den Zügen oft sehr voll. Was unternimmt der Verkehrsverbund, damit die Fahrten stressfreier werden?

Neu ist, dass auf den Linien RE 3 und 5, die von Berlin zur Ostsee führen, ab Anfang April zusätzliche Fahrradwagen eingesetzt werden. Das sind Doppelstockwagen, in deren Unterdecks alle Klappsitze auf einer Fahrzeugseite ausgebaut wurden, damit dort noch mehr Platz für Fahrräder entsteht. Diese Wagen werden auf den beiden Linien während der Saison ein fester Bestandteil jedes Regionalexpresszugs sein. Und sie werden mit einem großen Piktogramm gekennzeichnet sein, damit jeder auf dem Bahnsteig weiß: Das ist der Fahrradwagen!

Was planen Sie außerdem?

Wir sind mit zwei Strategien unterwegs. Zum einen wollen wir zum Beispiel auf unserer Internetseite klar und deutlich Alternativen zur eigenen Fahrradmitnahme aufzeigen. Man ist nicht immer auf das eigene Rad angewiesen. In Brandenburg gibt es viele Verleihstationen, bei denen man auch Pedelecs und hochwertige Räder buchen kann.

Zum anderen wollen wir die Fahrradmitnahme vereinfachen, unterstützen und lenken. Damit Radfahrer wissen, wo sie hin müssen, soll es einheitliche Markierungen geben, an und in den Zügen. Klappsitze in Mehrzweckabteilen sollen markiert werden, damit allen, die sich dort niederlassen, klar ist, dass sie aufstehen müssen, wenn jemand mit Fahrrad kommt. Großflächige Markierungen und Piktogramme auf dem Fußboden werden die Fahrradbereiche markieren. Damit man schon zu Hause gut planen kann, wollen wir vereinfachte Grundrisse der Fahrzeuge ins Internet stellen, in unserer Fahrinfo kann dann mit dem Fahrplan erfasst werden, wo Platz ist. Das alles haben wir uns für 2015 vorgenommen.

Wahrscheinlich gibt es trotzdem Chaos. Denken Sie daran, bestimmte Züge für Räder zu sperren oder Fahrradkarten spürbar zu verteuern?

Momentan denken wir noch nicht intensiv darüber nach. Anstatt Restriktionen zu erlassen, wollen wir erst einmal Hilfestellungen geben. Fahrrad- und öffentlicher Verkehr sind Partner, die Vorteile dieser Partnerschaft wollen wir ausbauen.

Machen die Fernbusse auch den Regionalzügen Konkurrenz, etwa auf den Strecken von Berlin nach Wismar, Rostock und Stralsund?

Sie meinen unsere Regionalexpresslinien RE 2, 3 und 5. Was den Verkehr zu den Endstationen anbelangt, stellen wir in der Tat eine gewisse Konkurrenz fest. Wir beobachten das. Aber wir haben dort noch die Situation, dass die Züge gut gefüllt sind. Denn unsere RE-Züge haben den Vorteil, dass sie unterwegs viele Haltestellen bedienen, was beim Fernbus nicht der Fall ist.

Wann werden die Fahrpreise wieder steigen?

Das steht noch nicht fest. Als Diskussionsgrundlage für einen Termin denken wir über den 1. Januar 2016 nach. Auch darüber, wo strukturelle Änderungen im Tarifsystem möglich sind, zum Beispiel Vereinfachungen. Klar ist, dass die Fahrpreise auf der Grundlage eines Index’ angepasst werden, der die Preisentwicklung in den vergangenen fünf Jahren berücksichtigt. Das hat unser Aufsichtsrat beschlossen.

Berlin ist eine wachsende Stadt. Müssten da nicht mehr Züge fahren?

Das Problem ist, dass wir nicht wissen, wie viel Geld der Bund den Ländern für den Regionalverkehr künftig zahlen wird. Zwar empfehlen zwei Gutachten, die vom Bund und den Ländern in Auftrag gegeben worden sind, die Mittel zu erhöhen. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass der Bund diese Erkenntnis teilt. Es gab eine Anhörung im Verkehrsausschuss des Bundestags, deren Ergebnis mich nicht zuversichtlich stimmt. Wahrscheinlich werden wir erst vor oder kurz nach der Sommerpause wissen, wie viel Geld Berlin und Brandenburg für den Nahverkehr ab 2016 zur Verfügung haben werden. Dabei müssen wir schon Ende März einen verbindlichen Fahrplan bei der DB bestellen, der ab Ende 2015 gilt.

Was passiert ab Ende 2015, wenn der Bund die Zahlungen nicht erhöht?

Das können wir noch nicht abschätzen. Sollte es zu Kürzungen kommen, werden wahrscheinlich zunächst Investitionen in die Infrastruktur aufgeschoben. Zum Beispiel Bahnhofsausbauten. Oder Einbauten von Aufzügen.

Werden auch Strecken stillgelegt und Bahnhöfe geschlossen?

Zumindest für den Fahrplan, der ab Dezember 2015 gilt, sind keine Abbestellungen von Regionalverkehren oder Stationshalten vorgesehen. So viel sparen wir übrigens auch nicht, wenn wir an einem kleinen Bahnhof keine Züge mehr halten lassen. Es muss vor Ort dann zusätzlich Busverkehr organisiert und bestellt werden. Außerdem muss eine stillgelegte Station gesichert werden, was bei DB Station & Service zusätzliche Kosten verursacht.

Nervt Sie die Ungewissheit?

Es ist nicht meine Art, mit Frust zu arbeiten. Wir wollen die Zukunft des Nahverkehrs ja mitgestalten.

Das Gespräch führte Peter Neumann.