„Der Klimarat macht Spaß, weil da ein Mini-Berlin miteinander diskutiert“
Der Klimarat ist ein Kernprojekt der neuen Koalition, nun gibt es Ergebnisse. Wir haben die Sprecherin Rabea Koss interviewt.

Zwei Monate diskutierten 100 Berlinerinnen und Berliner über Klimaschutzmaßnahmen. Am Donnerstagabend wurden die Ergebnisse im Abgeordnetenhaus an die Umweltsenatorin Bettina Jarasch übergeben. Die Berliner Zeitung hat vorab mit Rabea Koss gesprochen. Sie ist Sprecherin des Bürger:innenrats Klima.
Berliner Zeitung: Frau Koss, wie stellt sich der Bürger:innenrat unsere Zukunft vor?
Rabea Koss: Genau das war die große Frage, konkrete Ergebnisse werden aber erst heute Abend im Abgeordnetenhaus vorgestellt. Die Mitglieder haben sich damit beschäftigt, wie wir in Berlin mit der Klimakrise umgehen wollen bzw. müssen und welche Empfehlungen sie für die Klimapolitik aussprechen wollen. Es gibt ja in Berlin schon viele Maßnahmen. Da war die Frage: Welche finden die Bürger gut, welche sollen verschärft werden? Für welche gibt es aber eben auch keine Zustimmung? Damit haben wir uns auf jeden Fall viel beschäftigt.
Sie haben es angesprochen, die konkreten Empfehlungen werden erst heute Abend an Bettina Jarasch, Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, übergeben. Wie war der Prozess bis hierhin?
Insgesamt gab es neun Sitzungen, anfangs haben die Mitglieder allgemein über den Klimawandel gesprochen und über die aktuellen Berliner Maßnahmen und Gesetze. Dabei wurden sie von Experten und Expertinnen beraten. Dann haben wir die einzelnen Themenfelder abgearbeitet und in Kleingruppen diskutiert. Im Anschluss an die verschiedenen Inputvorträge wurde darüber gesprochen, was die Bürger davon mitnehmen, was ihnen gefällt, welche anderen Gedanken sie zu den Themenbereichen noch haben. Das wurde immer von der Moderation mitgeschrieben und von einem Redaktionsteam im Laufe des Prozesses überarbeitet. Am Ende gab es dann also die jeweiligen Empfehlungen der Kleingruppen, über die dann per Mehrheitsbeschluss abgestimmt worden ist.
Können Sie jetzt schon verraten, wo der Klimarat besonders schnellen Handlungsbedarf sieht?
Es gab ja die Themenfelder Energie, Gebäude und Verkehr. Bei allen wurde sehr viel diskutiert, insbesondere im Bereich Mobilität gab es viele Diskussionen, und auch dort, wo es die Bürgerinnen und Bürger wirklich selbst im eigenen Umfeld persönlich betrifft.
Kann man also sagen, dass über die Verkehrswende am härtesten diskutiert worden ist? Da wurden vorab ja auch zwei Sitzungen für angesetzt.
Genau, da haben wir wirklich extraviel Zeit für eingeplant. Da muss einfach viel getan werden, und uns war im Vorfeld eigentlich schon klar, dass da der Diskussionsbedarf sehr groß sein wird. Das war ja dann auch so.
Der Klimarat besteht aus 100 zufällig ausgewählten Berlinerinnen und Berlinern. Hatten Sie das Gefühl, dass das ein repräsentativer Querschnitt unserer Stadt war? In Dänemark gab es das Problem, dass besser Ausgebildete überdurchschnittlich häufig vertreten waren.
Das ist tatsächlich immer ein Problem bei Bürger:innenräten, dass Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen tendenziell häufiger zusagen und man immer mehr Aufwand betreiben muss, um Menschen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen zu erreichen. Wir haben hier in Berlin zusätzlich noch eine sogenannte Haustürakquise gemacht, um dem entgegenzuwirken. Das hat was gebracht. Allerdings ist es nach wie vor so, dass die Menschen mit höherem Bildungsabschluss etwas überrepräsentiert sind. Trotzdem ist die Repräsentativität deutlich besser als beispielsweise im Abgeordnetenhaus.
Bei solch einem Querschnitt der Gesellschaft, wie schwer ist es da, auf einen Nenner zu kommen?
Ehrlich gesagt, macht das immer total Spaß, weil es halt so ein Mini-Berlin ist, das da gemeinsam diskutiert. Man hat alle Meinungen vertreten, die man auch so aus dem Freundeskreis oder in der Familie kennt. Ich war auch bei dem bundesweiten Bürgerrat Klima dabei, hatte in Berlin aber das Gefühl, dass hier mehr diskutiert worden ist als auf Bundesebene. Toll war, dass alle sehr respektvoll miteinander umgegangen sind und man so auch Verständnis für die Positionen der anderen entwickeln konnte.
Das ist ja ganz wichtig bei so einem Bürgerrat, dass wirklich mal Menschen an einen Tisch kommen, die normalerweise gar nicht miteinander reden, und dann gemeinsam überlegen, welche Lösungen am besten funktionieren können. Es bringt nichts, wenn sich alle nur gegeneinander positionieren – die Empfehlungen müssen ja am Ende doch von der Mehrheit mitgetragen werden. Das hat sehr gut funktioniert. Am Schluss gab es dann tatsächlich viel Zustimmung.
Gab es auch Leute, die Sie erst noch vom Klimawandel überzeugen mussten?
So weit ich weiß, waren sich alle einig, dass etwas getan werden muss, und es gab niemanden, der gesagt hat, dass es den Klimawandel nicht gibt. Unklar war eben nur, wie die konkreten Maßnahmen auszusehen hätten. Wie sehr sollen sie uns betreffen, wie sozial gerecht müssen sie sein, wie sehr belasten sie Vermieter und Mieter. Das waren spannende Punkte, die es auszudiskutieren galt.
Haben Sie nach zweimonatigen Diskussionen nun den Eindruck, dass die Zivilgesellschaft zu tiefgreifenden Veränderungen bereit ist?
Beim bundesweiten Bürgerrat habe ich das auch schon gesehen: Wenn Bürger zusammenkommen und gut informiert werden, was die Klimakrise überhaupt ist, welche Auswirkungen sie hat, dann können da ziemlich progressive Forderungen rauskommen. Generell hatte ich den Eindruck, dass es auch hier diesen Aha-Moment gab. Der kommt, wenn die Menschen realisieren, wie Berlin aussehen wird, wenn es jetzt keine Veränderungen gibt. Vielen war vorher nicht immer bewusst, wie schnell etwas getan werden muss. Ein wichtiger Schritt am Anfang war also, da eine gewisse Klarheit zu schaffen. Das hat der Klimabürger:innenrat definitiv erreicht. Und gleichzeitig tragen diese Menschen das Wissen dann auch weiter.
Haben Sie Vertrauen, dass die Empfehlungen des Klimarats auch politisch umgesetzt werden?
Der Klimarat ist ja von der Senatorin einberufen worden, sie hat den Prozess mitverfolgt, und der neu eingerichtete Klimaausschuss des Senats wird im September tagen und sich genau mit diesen Empfehlungen auseinandersetzen. Dann, so ist es angekündigt, begründen, warum welche Empfehlungen übernommen werden oder auch nicht. Natürlich ist klar, dass nicht alles übernommen werden kann. Und es ist richtig, dass am Ende die Entscheidungen durch die Politik getroffen werden. Durch den Klimarat weiß sie jetzt aber, was eine informierte Bürgerschaft empfiehlt und wofür es schlussendlich eben auch einen breiteren Rückhalt in der Gesellschaft geben würde.