Interview zum Festival Make City: Die Bürger sollen die Stadt mitgestalten
Bis zum Ende der nächsten Woche treffen sich in Berlin Architekten, Planer und an der Planung Interessierte. Sie debattieren, wie es weiter gehen soll mit den Städten und mit Berlin. „Make City“ – „Stadt machen“ heißt das Festival. Ein Gespräch mit der Organisatorin Francesca Ferguson und Monika Štepánová, der Leiterin des Tschechischen Kulturzentrums.
Das Haus der Tschechischen Botschaft ist ein Markstein des Designs der 1970er-Jahre, gilt aber auch als Bunkerarchitektur. Der richtige Ort für ein Festival über selbstbestimmte Stadtentwicklung?
Stepanova: Wir waren ursprünglich nur einer von vielen Partnern für Make City. Aber als im Sommer 2014 die Berliner Lotto-Stiftung die Gelder für das Festival nicht genehmigt hat, sind wir eingesprungen. Mit dem Veranstaltungsort, aber auch mit Sponsoren und Kontakten in Tschechien. Das Haus ist ja selbst eine Architektur, die wiederentdeckt werden muss. Lange stand es fast leer, nur die Botschaft arbeitete hier. Das sind 35, 40 Leute – in einem Gebäude, das für 350 gebaut wurde. Als wir 2012 eingezogen sind, haben wir das Haus geöffnet. Und dazu gehört eben auch die Einmischung in die Stadt, in der wir leben.
Ferguson: Und die Zeit des Schnell-mal-Abreissens ist doch vorbei. Der Berliner Architekt Matthias Sauerbruch etwa zeigt gerade in einem Forschungsprojekt mit seinen Studierenden, dass es nicht nur kulturell und ökologisch, sondern auch ökonomisch viel günstiger ist, Häuser umzubauen statt sie neu zu bauen. Außerdem gibt es hier eine ganz besondere Atmosphäre.
Was, Frau Ferguson, ist Make City?
Ein stadtweites Festival für Architektur und Andersmachen. Wie werden urbane Ressourcen neu genutzt, was können wir anders machen? Wir wollen nicht nur Architekten ansprechen, sondern das breite Publikum. Berlin ist ja immer eine Stadt gewesen, in die die Menschen mit einer Idee gekommen sind, mit einem Projekt. Und das muss doch auch gestaltet werden. Man muss hinterfragen, was wo in der Stadt richtig ist, und wie die Nachbarn damit leben. Seit Absage der Internationalen Bauausstellung 2013 hat sich da die Debatte sehr erweitert. Beim Votum für Tempelhof hat man gemerkt, wie viele Menschen mitgestalten wollen. Jetzt ist Tempelhof ein riesiger Urban Commons, wie es im Englischen heißt.
Im Deutschen wäre der Begriff Almende brauchbar …
Das klingt so schwer, so völkisch, nach Ritterroman. Also, wir haben sehr klare Themen: Erstens das urbane Gemeingut. Es geht um die Neuverhandlung, um die Nutzung des öffentlichen Raums und um die Politisierung der Stadtbewohner. Das geschieht weltweit, wie man bei unseren Vorträgen erleben kann: Ob im Streit um den Gezi-Park, um Urban Gardening Projekte in New York oder die Proteste gegen den Verkauf von öffentlichen Gütern allgemein.
Und zweitens …
Das zweite Thema ist das, was im Deutschen so etwas steif „Partizipative Stadtentwicklung“ heißt. Es geht darum, etwas gemeinsam zu entwickeln. Wie gehen die Experten mit dem öffentlichen Raum um und wie werden die Bürger einbezogen? In Dänemark sind die Landschaftsarchitekten für die Planung eines Parks in Kopenhagen persönlich von Tür zu Tür gegangen und haben im Quartier einfach direkt nachgefragt! Weil die Leute – meistens Einwanderer – selbst nicht zu den Bürgertreffen gekommen sind und auch keine Bürgerbriefe beantwortet haben. Wir müssen also auch ganz neue Methoden der Bürgerbeteiligung finden. Partizipation soll kein Kampf um Einfluss sein, sondern ein Ausgleich der Interessen.
Und das dritte Thema …
Wohnen und Arbeiten in der Stadt. Heute kann man Produktionsbetriebe direkt neben Wohnungen unterbringen, viele Menschen wollen das auch. Aber die Gesetze stehen dagegen. Deswegen veranstalten wir 45 Führungen durch die Stadt, um solche Themen zu debattieren. Und am Tag der Architektur am nächsten Wochenende werden neue Projekte gezeigt. Die Menschen sollen hinter die Pläne und Fassaden sehen können und verstehen, was heute alles möglich ist.
Was sind die Voraussetzungen dafür?
Eine ganz wichtige ist: Die öffentliche Hand darf kein Land mehr verkaufen, ohne dass es ein genaues Nutzungskonzept gibt, das über Wohnen oder Arbeiten hinausgeht.
Wird dadurch der Wohnungsneubau auch billiger werden?
Sie kriegen keinen guten Wohnungsneubau für sechs oder sieben Euro hin, der Qualität hat und auf Dauer flexibel ist. Das zu behaupten, ist einfach nur Irreführung. Qualität kostet auch etwas. Aber das Land kann sich entscheiden, wer baut und wo gebaut wird. Und da wird bisher viel zu sehr auf Investoren geachtet und viel zu wenig auf Mitsprache der Bürger. Es geht auch nicht darum, zu sagen: Hier sind die bösen Investoren, dort die guten Initiativen. Es geht darum, beide zusammen zu führen, in die Debatte zu bringen. Make City soll eine Plattform dafür sein.
Das Gespräch führte Nikolaus Bernau.
Der Bund Deutscher Architekten Berlin (BDA) hat seinen Architekturpreis Berlin 2015 ausgelobt. 54 Bewerber stehen zur Wahl. Wir stellen in loser Folge einige Projekte vor. Die Leser der Berliner Zeitung sind aufgerufen, über den Publikumspreis abzustimmen.
Möglich ist dies bis zum 24. Juni unter der Webadresse www.bda-preis.berlin.de.